Helden der Landstraße
Über 50 Lkw-Oldtimer beim Nutzfahrzeugetreffen an der Ehmetsklinge – Viele Benzingespräche und Erinnerungen
Hingebungsvoll poliert Gerd Schüle mit einem Lappen seinen prächtigen Daimler. Kein Stäubchen liegt auf dem himmelblauen Blech. Es ist Schautag an der Zaberfelder Ehmetsklinge: Über 50 besondere Oldtimer aus Süddeutschland und der Schweiz haben sich zu diesem Treffen eingefunden. Es sind Trucks, die zum Teil vor über acht Jahrzehnten die Autoschmieden etwa in Ulm, Mannheim, Kassel oder dem schwedischen Södertälje verlassen haben.
Der zweiachsige Lkw von Schüle wurde 1959 in Mannheim gebaut. Der Geschäftsführer eines Sinsheimer Fuhrbetriebs hat ihn vor 20 Jahren entdeckt. „Das war ein Blechknäuel.“ Auch Manfred Engesser erinnert sich gut: „Alles Einzelteile. Den Lkw konnte man zusammenkehren.“ Der 59-Jährige hat den Schrotthaufen wieder zusammengeklempnert: eine Top-Arbeit.
Schweiß
Komfort? Fehlanzeige. „Der Beruf des Kraftfahrers bekommt da wieder den ursprünglichen Sinn“, unterstreicht Schüle das schweißtreibende Rückwärtsfahren mit dem Anhänger: Das Fahrzeug hat keine Servolenkung, der mächtige Motor lastet auf der Vorderachse.
Das Interieur ist für einen Mercedes etwas schmal ausgefallen. Wichtig für Fahrzeuge aus dieser Zeit: Anzeige für die Temperatur der Kühlung, ein Manometer für den Druckluftbehälter, der die Bremsen ansteuert, und die Anzeige für den Öldruck. Das war’s. Elektronik? Fehlanzeige. Und darüber sind die Hobby-Mechaniker richtig froh. Engesser: „In der Werkstatt kann uns kaum einer helfen; da wird nur noch die Buchse gesucht, ein Laptop drangehängt und Fehlerdiagnose betrieben.“
„Do it yourself“ gilt auch für Andy Hieke aus Huchenfeld. 50 Oldtimer-Lkw hat der Baustoff- und Tiefbauunternehmer in seiner Halle stehen. „Tagsüber sitze ich auf dem Bagger, am Abend wird geschraubt. Und am Sonntag wird die Büroarbeit erledigt“, sagt er. Mit fünf Kameraden und fünf Lkw ist er zum Treffen nach Zaberfeld gekommen, das die Oldtimerfreunde ausrichten. Übernachtet wird im eigens mitgebrachten Oldtimer-Omnibus. „Da haben wir sieben Schlafplätze eingebaut.“
Ein bisschen schräg ist es ja schon, mit einem Feuerwehrfahrzeug samt Löschkanone über Deutschlands Straßen zu gondeln. Doch das rote Auto von Magirus-Deutz, das Hieke dem Flugplatz Frankfurt-Hahn abgekauft hat, ist ein Hingucker auf der Schaufläche. „Eigentlich wollte ich den Schneidbrenner rausholen, den Aufbau abtrennen und einen Kipper daraus machen“, erzählt Hieke. So wie ihn der Vater bei der Betriebsgründung angeschafft hatte. Doch die beiden Neffen, die bei der Jugendfeuerwehr sind, haben diesen fürchterlichen Frevel verhindert. Also blieb das Original unangetastet. Hieke: „Nur wie die Löschkanone funktioniert, wissen wir noch nicht.“
Initiator
Das älteste Fahrzeug auf dem Platz besitzt der Initiator des Treffens, Rainer Marquart. Der Zaberfelder Unternehmer lenkt einen Ford AA als Lkw-Version, Baujahr 1928. Zehn Mitglieder gehören zum Verein der Oldtimerfreunde Zaberfeld, der quasi aus dem Hobby Marquarts entstanden ist.
Hermann Haag hat 35 Jahre als Maschinenschlosser bei dem Backnanger Nutzfahrzeugehersteller Kaelble gearbeitet. Er war auch am Bau von fünf jeweils 330 PS starken Sondermaschinen für den afrikanischen Markt beteiligt. Ein Fahrzeug blieb in Deutschland. Den hat der 67-jährige Rentner als Schrotthaufen wieder aufgestöbert. Das aufgemöbelte „Erinnerungsstück“ an den früheren Arbeitgeber macht mit seinen zwei Hinterachsen und je vier mächtigen Reifen sowie einer Nutzlast von bis zu 40 Tonnen schon was her.
Begeistert vom Nutzfahrzeugetreffen ist auch Uwe Hellwich. Der Geschäftsführer des Weinsberger Hilfsvereins ist selbst ein „Schrauber“. Der Kassier bei den Böckinger Eisenbahnfreunden hat Ahnung vom Restaurieren alter Maschinen. Heute tuckert er ausnahmsweise auf Reifen daher. Sein Scania ergänzt die glanzvolle Parade.
Filme und Lieder
Mit den Helden der Landstraße haben sich Filme und Lieder beschäftigt. Manfred Krug hat in der Serie „Auf Achse“ (auch ein Brettspiel) von 1977 bis 1996 den Lkw-Fahrer Franz Meersdonk gemimt, so wie Marius Müller-Westernhagen 1980 einen Trucker im Roadmovie „Theo gegen den Rest der Welt“. Die Band Truck Stop hat Geschichten aus dem Fahrerlager in Country-Liedern nacherzählt

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