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„Stachus von Brackenheim“ zwischen Stillstand und Fortschritt

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Ehemaliger Produktionsstandort ist zum Gewerbepark geworden - Eines der ältesten Häuser der Innenstadt wird saniert

Von Valerie Blass
Eine Art Gewerbepark ist um das ehemalige Produktionsgelände der Firma Bleyle herum entstanden. Das Areal gehört der Stadt Brackenheim.
          Fotos: Valerie Blass
Eine Art Gewerbepark ist um das ehemalige Produktionsgelände der Firma Bleyle herum entstanden. Das Areal gehört der Stadt Brackenheim. Fotos: Valerie Blass

Knotenpunkt Alt und Neu, Stillstand und Fortschritt: Die Maulbronner Straße in Brackenheim ist eine der zentralen Verkehrsachsen der Heuss-Stadt. Den „Stachus von Brackenheim“ nennt sie Bürgermeister Rolf Kieser in Anlehnung an den zentralen Münchener Karlsplatz. „Zwei Landesstraßen treffen aufeinander. Das bringt eine hohe Frequenz.“ Den Stadtoberen ist deshalb daran gelegen, bei der Gestaltung des Knotenpunkts, der Heilbronn mit dem Oberen Zabergäu verbindet, ein Wörtchen mitzureden.

Fabrikareal Auch aus diesem Grund hat die Verwaltung Ende der 90er Jahre zugegriffen, als der frühere Eigentümer das rund einen Hektar große Gebiet veräußerte, auf dem die Firma Bleyle einst Damenunter- und -nachtwäsche produzierte. Kieser: „Wir wollten die Möglichkeit haben, die Entwicklung der Stadt an zentraler Stelle mitgestalten zu können.“ Weiteres Anliegen: Sicherzustellen, dass Bleyle auch weiter in Brackenheim bleibt. So erwarb die Stadt das Industrieareal, verkaufte einen Teil an einen Investor - ein Minimal-Markt hat sich inzwischen angesiedelt - und verpachtete den Firmenkomplex an verschiedene Unternehmen, darunter auch Bleyle.

Fabrikverkauf Zehn Mitarbeiter hat die „Bleyle Underwear GmbH“ heute noch in Brackenheim, sagt Geschäftsführer Jürgen Bader. Sie sind angestellt im Büro, einer kleinen Musternäherei, in der Entwicklung, im Lager und hauptsächlich im „Fabrikverkauf“, der in einer Baracke neben dem ehemaligen Produktionsgebäude läuft. Die Produktion ist schon vor Jahren komplett nach Sachsen und Slowenien verlagert worden. 160 Arbeiter - darunter ein Großteil Frauen - waren 1990 noch am Standort Brackenheim beschäftigt. Nach und nach wurden immer mehr Arbeitsplätze abgebaut, bis die Fertigung Anfang 2000 komplett eingestellt wurde, so Bader.

Antikes Rustikale Sitzbänke, Landhausmöbel, Tischchen mit geschwungenen Beinen: Auf knapp 800 Quadratmetern Fläche sind im Obergeschoss antike Möbel aus verschiedenen Epochen ausgestellt. Kunterbunt wird es bei Geraldine Kleinsasser, die unter dem Dach von „Antike Möbel“ selbst gefertigte Kindereinrichtungsgegenstände präsentiert. Stühlchen, Messlatten, Garderoben oder Spielkisten gibt es bei der jungen Frau in den knallig-sten Farben und verziert mit allerlei witzigen Tiermotiven. Seit eineinhalb Jahren betreibt die 37-Jährige den Handel mit Kindermöbeln als Gewerbe - hauptsächlich über das Internet. „Vorher habe ich das nur privat gemacht und dabei gesehen, dass der Bedarf für originelle Möbel für kleine Kinder da ist“, sagt die Brackenheimerin, deren Geschäftsname nicht minder einfallsreich und schrill ist: pippikakka heißt ihr kleines Möbelgeschäft.

Seniorenwohnungen Ein paar hundert Meter weiter Richtung Innenstadt wächst Neues heran: Seit vergangener Woche markiert ein Kran den Baubeginn für den zweiten Abschnitt der Seniorenwohnanlage Amalienhof. 41 Wohnungen für ältere Mitbürger sind zwischen Theodor-Heuss-Straße und Austraße neben dem Lidl-Markt bereits entstanden. Plus Praxen für Naturheilkunde und Krankengymnastik, ein Café und - demnächst - ein Friseurgeschäft, wie Rolf Kieser erzählt.

Fachwerk Eines der ältesten Häuser Brackenheims steht am Beginn der Fußgängerzone, an der Obertorstraße 16. Besucher eilen leicht daran vorbei, denn das Gebäude aus dem Jahre 1594 hat seinen Glanz längst eingebüßt. Putz und Holzgebälk sind bräunlich-grau, die Klingelschilder blind, aus dem Briefschlitz in der Eingangstüre quillt Post. Doch bald sollen wieder bessere Zeiten anbrechen für das einst stattliche Haus. Die ursprüngliche Besitzerin habe sich lange nicht mit einer Sanierung anfreunden können, so Rolf Kieser. Doch jetzt sei ein Investor gefunden, der das Haus sanieren will.

Verfall Nicht überall wird die Vergangenheit von einer leuchtenderen Zukunft abgelöst. An der Maulbronner Straße/Ecke Theodor-Heuss-Straße steht eine Villa, der man den Glanz vergangener Tage nur noch ansieht, wenn man sehr genau hinschaut. Um das rostrote Haus herum liegt Gerümpel, die Fenster sind verrammelt oder von Rollläden abgedunkelt, welkes Laub ergänzt den tristen Eindruck. Die Stadt, sagt Rolf Kieser, habe schon einige Anläufe unternommen, um das Areal des ehemaligen Textilgeschäfts zu erwerben. Allerdings habe sich der Besitzer seither immer quer gestellt. Schade um die Villa. Ein Relief mit zwei Engeln an der Frontseite des Hauptgebäudes weist auf das Baujahr 1925 hin, ein Emailschild mit der Aufschrift „Hausieren verboten“ an einer reich verzierten hölzernen Eingangstüre lässt darauf schließen, dass hier einst die bessere Gesellschaft zu Hause war.

Die ehemalige Villa an der Maulbronner Straße/Ecke Theodor-Heuss-Straße in Brackenheim ist arg heruntergekommen.
Die ehemalige Villa an der Maulbronner Straße/Ecke Theodor-Heuss-Straße in Brackenheim ist arg heruntergekommen.
Seit 1954 steht das Fachwerkhaus an der Obertorstraße 16 - es wird saniert.
Seit 1954 steht das Fachwerkhaus an der Obertorstraße 16 - es wird saniert.
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