Nach 65 Jahren legt er die Schere beiseite
Nordheim - Eine Hüft-Operation zwingt Friseur Hermann Herbrik zum Aufhören

Nordheim - Ich möchte mich bei meiner Kundschaft für die langjährige Treue herzlich bedanken“, sagt Hermann Herbrik, und er hat Tränen in den Augen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er noch ewig weitergeschafft. Zumindest so lange, „bis ich dem Ersten in die Ohren reinschneide“, zitiert seine Tochter, Monika Winkler, den Wahlspruch des 82-Jährigen. Doch im 65. Berufsjahr als Friseur zwingt ihn eine Hüft-Operation zum Aufhören.
Als junger Bursche kam Hermann Herbrik 1945 aus seiner Heimat, dem deutschsprachigen Teil der Slowakei, nach Nordheim. Seine Lehre hatte er da schon hinter sich. „Mein Chef war ein Slowake, der war sehr streng“, erinnert sich Herbrik. In Nordheim musste der Flüchtling dann aber erstmal ein Vierteljahr lang in der Landwirtschaft arbeiten. Und für ein Stück Brot hat er so manchem im Ort „schwarz“ die Haare geschnitten. „Das war schon hart damals“, sagt Hermann Herbrik.
Dann fing er in Heilbronn zunächst bei Erwin Sieber als Geselle an. Es folgten weitere Arbeitgeber, bis einer ihm vorschlug, sich selbstständig zu machen. Dank der Gewerbefreiheit war das ohne Meisterbrief möglich. In der Südstraße in Nordheim, ein paar Meter vom heutigen Friseursalon entfernt, hat er sein erstes Geschäft aufgemacht, anfangs nur für Herren. Nach fünf Jahren zog er in die Bahnhof-, dann in die Hauptstraße. „Da war es schon moderner“, sagt Herbrik. Seit 1962 heißt die Adresse Südstraße 20.
Kreativ
Er liebt seinen Beruf. „Kreativ war ich schon immer. Wenn Neuheiten herausgekommen sind, musste ich die haben“, erzählt der zweifache Opa und Uropa. Er sei einer der ersten in der Gegend gewesen, die die kalte Dauerwelle gemacht haben: „Das denkt mir heute noch gut. An einem Freitag habe ich Emma Weinstok frisiert. Die ist danach in die Singstunde gegangen, und alle wollten wissen, bei welchem Friseur sie war. Von da an hat der Damensalon eingeschlagen.“
In Nordheim hatte sich der Viertälteste von zwölf Geschwistern gut eingelebt. Vor allem dank des Fußballs. „Anfangs waren wir in der Schule einquartiert. Direkt daneben war der Fußballplatz, und wenn der TSV gespielt hat, haben wir mitgekickt“, erzählt der Verteidiger. Die Herbrik-Brüder – sechs spielten in einer Mannschaft – sind noch heute vielen Fußballfans in der Region ein Begriff. Natürlich war das auch gut fürs Geschäft. Irgendwann entdeckte der sportliche Friseur dann aber das Tischtennis für sich. Bis zum 70. Lebensjahr hat er in Nordheim und Horkheim gespielt.
Seine Frau Maria hat Hermann Herbrik 1948 geheiratet. Sie stammte aus seiner Heimatstadt, Prievidza. „Ohne meine Mizzi wäre ich nie so weit gekommen. Sie hat mir den Rücken gestärkt“, sagt der Witwer. Natürlich hat sie auch im Laden mitgeholfen, sie war „die gute Seele und hat alles gemacht außer Schneiden und Frisieren.“
Nachfolgerin
Tochter Monika wurde 1953 geboren. Im Jahr 1988, kurz nachdem die Mutter gestorben war, übernahm sie den Salon und feiert in diesem Jahr auch schon ihr 40. Arbeitsjubiläum. Bis zu seiner Hüft-Operation im Mai stand Herm, wie er von allen genannt wird, jeden Tag mit ihr im Laden. Die Stammkundschaft – auch junge Leute – hätte sich das auch gar nicht anders vorstellen können. Sport, Fußball, Politik waren die Gesprächsthemen. Als Friseur braucht man aber auch Menschenkenntnis, betont Herbrik. „Manche wollten lieber in die Zeitung reinschauen.“ Bei den Mitarbeitern ist der Senior beliebt. „Unseren Azubis hat er die Kunst des Herrenhaarschnitts beigebracht“, erzählt Monika Winkler. „Und donnerstags war sein Hausfrauentag“, ist Friseurin Charlotte Feucht begeistert. „Da hat er für uns gekocht. Bei ihm habe ich das erste Mal Zwetschgenknödel gegessen. Wir waren wie eine große Familie.“
An eine Zukunft ohne Kamm und Schere zu denken, fällt Hermann Herbrik schwer. Zum Glück hat er vor zwei Jahren seine alte Liebe wiedergetroffen. 1946 hatte er sie in Nordheim, in der „Rose“, beim Tanz kennengelernt. Aber die Eltern waren gegen die Beziehung. Jetzt erst gibt es ein Happy End: „Als wir uns wiedergesehen haben, da war es wie damals“, sagt der 82-Jährige.