„So harmlos wie eine Benzintankstelle“
Auf der Erddeponie bei Stetten hatte die US-Armee bis Ende der 80er-Jahre eine Raketenabschussbasis

Von Ulrike Maushake
Weidenröschen blühen auf dem Gelände der Erddeponie zwischen Haberschlacht und Stetten, Silberdisteln und der kanadische Gelbweiderich. Kaum etwas weist noch darauf hin, dass hier einst Flugabwehrraketen mit Atomsprengköpfen installiert waren.
Drei Männer haben sich an der Deponie eingefunden, deren Biografien ein Stück weit mit der Geschichte der Abschussbasen verknüpft sind. Zwei Landwirte aus Stetten: Günther Walter, der sich der Schutzgemeinschaft Heuchelberg angeschlossen und gegen die Feuerstellung gekämpft hatte. Werner Kümmerle, der nebenberuflich beim Aufbau half. Außerdem Förster Robert Böckle aus Güglingen, in dessen Amtsperiode die Zeit fällt, als die Amerikaner 1978 die Basen auf- und das Gelände an den Bund zurückgaben.
„Junge Kerle, um die 20 Jahre alt“ seien sie gewesen, erinnern sich Günther Walter und Werner Kümmerle, als man 1957 begann, den Wald zu vermessen und abzuholzen. Günther Walter hat eine Mappe mitgebracht, mit Zeitungsartikeln, Aufrufen, Leserbriefen und Resolutionen, die zeigen, wie umstritten der Aufbau der Basen gewesen ist. Besonders eine Aussage der US Army, die behauptet hatte, die Anlage sei „so harmlos wie eine Benzintankstelle“, hatte weite Teile der Bevölkerung empört und zum zivilen Widerstand aktiviert. Auch die Beteuerungen der Verantwortlichen, dass die Raketen nicht mit Atomsprengköpfen ausgestattet werden, glaubten viele nicht.
„Gerade mal zwölf Jahre nach dem Ende des fürchterlichen zweiten Weltkriegs sahen sich unsere Regierung und die amerikanischen Besatzung genötigt, wieder Hochrüstung zu betreiben“, sagt Günther Walter. „Dagegen haben wir uns gewehrt.“
„Zwei Drittel der Menschen hier waren zu dieser Zeit arbeitslos“, sagt hingegen Werner Kümmerle. Es seien gerade die Bauernsöhne gewesen, die davon betroffen waren. Da kam manchem die Möglichkeit, beim Aufbau der Basis ein paar Mark nebenbei zu verdienen, gelegen. Eine Baufirma, erzählt er, hatte die Generalleitung der Bauarbeiten, und für die habe er gearbeitet. Starkstrommasten hat er aufgestellt und Eisenmatten geflochten.
Günther Walter erzählt, wie er mit Mitstreitern im Februar 1958 an 600 Bäume, die gefällt werden sollten, Flugblätter angeheftet hat. „Muss ich sterben zum Verderben aller Wesen groß und klein? Nein! Niemals soll’n Raketenwaffen hier den Menschen Unheil schaffen!“ stand auf den Zetteln, die mittels Blaupause kopiert worden waren. „Es war kalt“, sagt Günther Walter. „Ich spür heute noch das Wasser in den Schuhen. Dann fing es an zu schneien und die Schrift auf den Zetteln verlief.“ Ins Visier des Verfassungsschutzes war Günther Walter gekommen. „Als ‚Handlanger Moskaus wurde ich bezeichnet“, erinnert er sich.