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Nach 414 Jahren schließt die Metzgerei König

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Für ältesten Betrieb in Leingarten gibt es bisher noch keinen Nachfolger - Viele Erinnerungen sind mit dem Laden verbunden

Von Valerie Blass
1965 wurden in der Metzgerei und Gaststätte König noch Hochzeiten gefeiert. Der Platz davor diente der Dorfjugend als Treffpunkt. (Foto: Hans Rieker)
1965 wurden in der Metzgerei und Gaststätte König noch Hochzeiten gefeiert. Der Platz davor diente der Dorfjugend als Treffpunkt. (Foto: Hans Rieker)

Seit Januar 1996 hatte die Familie Brosi die Metzgerei geführt. Jetzt läuft der Pachtvertrag aus. Die 39-jährige Susanne Brosi geht zurück in ihren erlernten Beruf. Sie arbeitet künftig wieder als Arzthelferin. Bernd Brosi wird wohl in der Lebensmittelbranche bleiben, allerdings nicht mehr als selbstständiger Metzger arbeiten. Einen Gesellen und vier Verkäuferinnen in Teilzeit haben die beiden beschäftigt. &#bdquo;Die sind alle untergebracht&#ldquo;, berichtet die Chefin. Nur eine Mutter wolle noch warten mit der Jobsuche, sie hat ein Kind im Kindergartenalter.

&#bdquo;Es fällt uns schon schwer wegzugehen&#ldquo;, sagt Susanne Brosi. Schließlich hätten sie sich gut an die Kundschaft gewöhnt. Es haben sich Freundschaften entwickelt und im Laden gab es auch immer viel zu lachen. Vergangene Woche zum Beispiel, als eine ältere Dame ins Geschäft kam und zu den Metzgersleuten meinte: &#bdquo;Mir ist so schwindelig, könnte ich einen Sekt haben?&#ldquo; Oder als Bernd Brosi - sonst glatt rasiert - sich einmal einen Bart stehen ließ. Eine Stammkundin kam in den Laden, warf einen kurzen Blick auf den 41-Jährigen und dann platzte es aus ihr heraus: &#bdquo;Ha, so gefällsch du mir aber gar ned.&#ldquo;

Der Grund, das Geschäft aufzugeben, sagt Susanne Brosi, sei nicht gewesen, dass es nicht rentabel war: &#bdquo;Klar, der Kuchen ist kleiner geworden, aber es gibt eine treue Stammkundschaft.&#ldquo;

&#bdquo;Das Leben rennt an einem vorbei&#ldquo;, haben die beiden irgendwann einmal gemerkt. Die Arbeitsbelastung sei schon extrem hoch gewesen. Jeden Morgen klingelte bei Bernd Brosi um 4 Uhr der Wecker, auch an den Wochenenden gab es einiges zu tun. Seit drei Jahren sind die beiden nicht mehr in Urlaub gewesen. Im Januar möchte das Ehepaar das nachholen.

Doch vorher muss der Laden ausgeräumt, die Maschinen müssen verkauft werden. &#bdquo;Am 24. ab 11 Uhr wird es lange Gesichter geben&#ldquo;, vermutet Susanne Brosi. Doch was die Selbstständigkeit betrifft, sei das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen, blickt sie in die Zukunft. Schließlich sei schon der Opa ihres Mannes Metzger gewesen.

Ob sich ein neues Geschäft an der geschichtsträchtigen Stelle ansiedelt, ist noch nicht klar. Das &#bdquo;zu verkaufen&#ldquo;-Schild hängt noch im Fenster. Dabei ist die Metzgerei schon seit Jahrhunderten fester Bestandteil des dörflichen Lebens.

Hochzeiten wurden bis 1967 dort gefeiert. Eine Gaststätte war damals noch integriert. Und der Leingartener Heimatforscher Karl Hoffmann, der als Kind direkt gegenüber gewohnt hatte, erinnert sich an so manche Anekdote, die auf dem Dorfplatz vor der Metzgerei König spielte. Der große Platz sei früher Treffpunkt der Dorfjugend gewesen, erzählt der 78-Jährige. Die Kinder fuhren dort Dreirad oder Roller, sie sammelten Rossbollen von der Straße, tummelten sich vor der Schmiede Schneider oder spielten Verstecken. &#bdquo;Lubattles&#ldquo; hieß das im alten Großgartach.

Auch 1937/38 als zwischen Gaststätte und Metzgerei ein Fahrstuhl eingebaut wurde, vertrieben sich einige Buben damit die Zeit, erinnert sich Karl Hoffmann. Einer davon wollte sich wohl besonders gut vor seinen Kameraden verstecken. Er lief in die Metzgerei - und fiel vier Meter tief in eines der Löcher, das die Handwerker für den Aufzug gebaut hatten. Die Kinder holten den alten Metzgermeister Karl König zu Hilfe, der den Rabauken wieder befreite. Außer ein paar Schürfwunden war der Junge unverletzt geblieben.

Susanne Brosi (rechts, hier mit einer Verkäuferin) und ihr Mann Bernd ziehen sich nach zehn Jahren als Metzgerei-Pächter zurück. (Foto: Ulrike Kugler)
Susanne Brosi (rechts, hier mit einer Verkäuferin) und ihr Mann Bernd ziehen sich nach zehn Jahren als Metzgerei-Pächter zurück. (Foto: Ulrike Kugler)
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