Unschuldslamm mit Hang zum Makabren
Er hat’s faustdick hinter den Ohren: Kabarettist Christian Hirdes lässt das „Knackpunkt“-Publikum Tränen lachen

Schwaigern - Er steht da, als könnte er kein Wässerchen trüben. Sieht aus wie ein ungelenker, schüchterner Konfirmand, ohne Ahnung von den Wirren des Lebens. „Ich bin hier, weil ich so Lieder und Gedichte mache“, stellt er sich artig vor. Doch: Stille Wasser sind tief, können tiefgründig, sogar abgründig sein. Dieser Abend wird das zeigen.
Christian Hirdes aus Bochum ist Kabarettist, Comedian, Poet und Liedermacher. Im voll besetzten Saal der Heuchelberg-Kellerei steht er einem gut aufgelegten Publikum gegenüber. Für viele ist Hirdes kein Unbekannter: Er hat mehrere deutsche Kleinkunstpreise gewonnen, ist in Radio und Fernsehen präsent.
Wenn man ihn dann live vor sich sieht, schmal und harmlos, werden erstmal Mutterinstinkte geweckt: Ein bisschen aufpäppeln, einen heißen Tee machen und vor den Gefahren des Alltags schützen. Aber Vorsicht: Dieser junge Mann hat es faustdick hinter den Ohren.
„Viele, viele, viele, viele Jahre“ hat er in Bochum „ein Lehramtsstudium begonnen“, wegen einem „gewissen Autoritätsproblem“ aber wieder aufgegeben. Schade für die Schüler, denn die hätten sicher ihre helle Freude an ihm gehabt.
Was macht also ein Mensch, der Gedichte und Songs schreibt, ein unglaubliches Sprachgefühl und eine entlarvende Beobachtungsgabe hat, mehrere Instrumente beherrscht und richtig gut singen kann? Und in dem noch dazu ein teilweise makabrer Humor brodelt? Das Multitalent vereint alle Begabungen und geht auf die Bühne. Ob er Kabarett oder Comedy macht, „diese uralte Menschheitsfrage“ kann er nicht beantworten. Seine Lösung: „Vor der Pause gibt es Kabarett, da sieze ich Sie, nach der Pause und ein paar Gläschen folgt das Du und Comedy.“
Hirdes nimmt das Publikum mit in den Ruhrpott, in dessen „kulturellen Mittelpunkt: die Trinkhallen“. Im Kiosk ereifert er sich musikalisch über ein kleines Mädchen, das zur Auswahl ihrer „gemischten Tüte Süßigkeiten zu drei Mark“ Ewigkeiten braucht. Wundert sich über Frisöre, die ihre Salons besonders originell Hairlich, Haarscharf oder gar „Hairlander – es kann nur einen geben“ nennen. Der „Reim-Fetischist“ erzählt von den Problemen mit seiner Freundin und wie er „entlang der Ruhr zur Kur fuhr“. Und er nimmt unsere Sprache wortwörtlich, wenn er dichtet: „Du hast mir den Kopf verdreht, so um 180 Grad.“ Bis die Kopfverdreherin Schluss macht und ihn tröstet, nur nach vorn und nicht zurück zu blicken...
Hirdes lässt Herbert Grönemeyers „Gib mir mein Herz zurück“ von einem Organspender auf dem Operationstisch singen. Überlegt, warum es Häns-chen heißt und nicht Hän-schen, Men-schen und nicht Mens-chen. Dann braucht er erstmal ein Päu-schen, besser Päus-chen.
Da muss sich das Gehörte erst mal setzen. Ein Herr ist von dem verbalen Dauerbeschuss so verwirrt, dass er in die Damentoilette irrt, lauter Frauen sieht und trotzdem fragt: „Isch hier´s Damen- oder Männerklo?“
Nach der Unterbrechung wird dann tatsächlich geduzt und die Stimmung steigt und steigt. Der Wortakrobat trägt das Gedicht von Lisa und ihren vier chinesischen Freundinnen Li, Si, Tsi und Tsu beim Blusenkauf vor. Er philosophiert über das Rehtortenkind, dessen Eltern ein Reh und eine Torte sind. Von „anspruchsvoller Lyrik“ wechselt er schließlich zu „schlüpfrigen Themen“ und bemerkt mit Unschuldsmiene: „Ich hab’ ja das Niveau so in den Keller gefahren.“
Aber, mal ehrlich: Je später der Abend und zotiger die Themen, desto lauter wurde gelacht. Erst nach drei Zugaben und riesigem Applaus ließ das Publikum den Unterhaltungskünstler von der Bühne.