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Ein staubiges Stillleben im Bahnhofskeller

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Alte Schilder und Weichenschlüssel: Im Keller des still gelegten Bahnhofs Neuenstadt gibt's viele Relikte

Von Waltraud Langer
Im Neuenstädter Bahnhof findet sich allerlei aus alten Tagen. Betriebsleiter Reinhard Mühling mit einem alten Warnschild. (Foto: Waltraud Langer)
Im Neuenstädter Bahnhof findet sich allerlei aus alten Tagen. Betriebsleiter Reinhard Mühling mit einem alten Warnschild. (Foto: Waltraud Langer)

Seit 1993 fährt kein Zug mehr nach Neuenstadt. Vom ehemaligen Bahnhof aus dirigiert die Busverwaltung der WEG-KVG ihre modernen Gelenkbusse durch die Region, und bald wird auch das Vergangenheit sein. Aber in Kellern und Schuppen des Gebäudes ist noch nicht einmal die Gegenwart angekommen. 22,61 Schienenkilometer tuckerte das liebevoll-spöttisch "Entenmörder" genannte Zügle von Jagstfeld nach Ohrnberg. 1907 wurde die Strecke bis Neuenstadt eingeweiht, die Erweiterung folgte sechs Jahre später. Wer heute den Neuenstädter Bahnhof betritt, findet dort auf den ersten Blick keine Spuren seiner ursprünglichen Nutzung mehr. Verlässt man allerdings die hellen, freundlichen Büroräume der WEG und begibt sich in den Keller des Gebäudes, dann lebt ein kleiner Teil der alten Bahngeschichte wieder auf. Als sei die Zeit stehen geblieben, warten hier allerlei Kleinteile auf ihre Verwendung."Schwellenbeilagsplatten gebraucht", steht da auf einem vergilbten Schild und daneben der Lagerbestand: 30 Stück. An Weichenschrauben sind noch 6 Stück da - so wurde es jedenfalls am 1. Januar 1978 festgestellt und aufgeschrieben. Einige Fächer weiter dokumentiert ein Zettel den Bestand von 18 Stück Drahtseilspannern zum Stichtag 1. Januar 1971. Verrostete Schilder, eine Riesenzange, Haken für die Bahnschwellen, viel undefinierbares Metall - ein angestaubtes Stillleben im Bahnhofskeller. Im Frachtschuppen steht noch eine ausgediente Güterwaage. Dort lagern auch die guten alten Almex-Drucker. Damit hat man die Fahrkarten produziert, händisch durch Verstellen der kleinen Zahlenrädchen. Heidrun Horch und Iris Reichert wissen noch wie man sie bedient. Die beiden Frauen arbeiten schon viele Jahre für die WEG-KVG und erzählen, dass früher zu ihren Aufgaben auch das Weichenstellen gehörte: "Das haben wir im Rahmen unserer Ausbildung zur Kauffrau im Eisenbahn- und Straßenverkehrswesen gelernt." Auch die dafür nötigen Weichenschlüssel sind noch da. Im Zuge der Nordumgehung plant die WEG ihren Betriebshof in das Industriegebiet zu verlagern. Ob die letzten Spuren der Neuenstädter Bahngeschichte dann auf dem Schrottplatz landen? Die WEG, so ist zu erfahren, hat kein Interesse daran.

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