Es ziemt sich, zur Zunft zu gehören
Handwerker pflegen Tradition - Lade wird im Tresor aufbewahrt

Neudenau - In Baden-Württemberg gibt es nur noch ganz wenige aktive Zünfte, mag sein, dass die Neudenauer sogar die einzigen sind, die sich in Zünften organisieren. Diese hatten eine wichtige gesellschaftspolitische Bedeutung. Zunft kommt von ziemen, und in Neudenau ziemt es sich, zur Zunft zu zählen. Daher hegen und pflegen sie die Tradition.
Schließlich liegt in ihrer Zunftlade ein Schreiben des Mainzer Kurfürsten, der 1655 die Schuhmacherzunft in einem Zunftschreiben bewilligte. Die Zunftlade bildet den Mittelpunkt der Neudenauer Zünfte und wird in einem Tresor der Raiffeisenbank aufbewahrt. „Nicht weil viel Gold darin ist, sondern unersetzbare Schriftstücke und Akten, die uns sehr wichtig sind“, sagte der Zunftmeister der Grob-Zunft, Sixtus Boos. Der Schmiedemeister ist 1958 in die Grob-Zunft eingetreten und hält ihr als Zunftmeister die Treue.
Schon Boos' Urgroßvater war Schmied. Er selber wechselte als junger Mann zum Bahnbetriebswerk nach Heilbronn, wo er als Meister Lokomotiven reparierte. Zu seiner 1761 gegründeten Grob-Zunft zählen alle metallverarbeitenden Berufe, früher meist nur Schmiede und Schlosser.
Repräsentieren Heute gehören auch Feinmechaniker, Dreher und Kfz-Meister dazu. Etwa Friedbert Lott, der mit seinem Ford Daisy Oldtimer auswärtige Feste besucht und gerne die Neudenauer Zünfte repräsentiert.
So ist er stets beim kurpfälzischen Erntedankfest in Mosbach unterwegs, mit dabei eine Zunftabordnung, korrekt mit Frack, Weißhemd und Zylinder gekleidet. Diese Kleidung tragen sie gerne bei offiziellen Anlässen: „Auch bei Beerdigungen eines Zunftmitglieds oder seiner Gattin und dazu vorne am Sarg zwei große Zunftkerzen“, sagt Sixtus Boos. Der 72-Jährige ist auf Lebzeiten gewählt und kann nur abgesetzt werden, wenn schwere Verstöße begangen werden. „Das ist wie beim Papst, der kann auch nicht abgesetzt werden“, sagte Boos schmunzelnd. Ihre Zunftherberge ist das Gasthaus zum Falken, Wirt Reiner Fallmann heißt daher Herbergsvater.
Nahrung Fallmann ist Mitglied der Reich-Zunft, zu der alle Berufe zählen, die mit Nahrungsmittel umgehen. Ihr Zunftmeister ist Bäckermeister Hans Roth. Schuhmacher, Schneider und Weber zählen zur Arm-Zunft. Zimmerleute, Schreiner, Maurer, Maler und Stuckateure sind in der Bau-Zunft organisiert.
Deren Zunftmeister ist Malermeister Theo Nenninger, ein bekanntes musikalisches Urgestein der Stadt. Es gibt also verschiedene Zünfte im Städtchen, alle haben aber die Traditionspflege groß auf die Zunftfahne geschrieben. Am Dreikönigsfest trifft sich die Grob-Zunft traditionell zur Generalversammlung in der Zunftherberge Falken. Wenn Beschlüsse zu fassen sind, geschieht das bei geöffneter Zunftlade, etwa wenn ein neues Mitglied aufgenommen wird.