Die Zeichen der Zeit erkannt
Neuenstadt - Schulsozialarbeiterin Julia Ortwein zieht eine erste positive Halbjahresbilanz

Neuenstadt - Keine drei Tage war Julia Ortwein am Neuenstädter Eduard-Mörike-Gymnasium angekommen - "und schon hatte ich die ersten Gespräche", berichtet die Schulsozialarbeiterin. Das war im März. Jetzt rufen Eltern an. Schüler machen Termine bei ihr aus. Lehrer bitten um ihre Unterstützung. "Es ist gut angelaufen": Eine erste, noch vorsichtige Halbjahresbilanz der 23-Jährigen fällt positiv aus. Weil sie die erste Schulsozialarbeiterin am Gymnasium überhaupt ist, wird sich das genaue Tätigkeitsprofil noch fügen.
Beratungsbedarf ist auf jeden Fall gegeben. Schüler leben in einer recht komplizierten Welt, davon ist die Sozialarbeiterin überzeugt. Sie haben mit vielen Themen zu tun - ob es um Freunde, Schule oder die erste Liebe geht. "Familiäre Probleme, Schwierigkeiten mit Mitschülern - Mobbing oder Hänseleien - kommen immer wieder vor", berichtet Ortwein. Die Jugendlichen stecken mitten drin, im komplizierten Selbstfindungsprozess. Merken vielleicht, dass sie mit ihrer Art anecken, anders sind - kindlicher, reifer als Mitschüler - und das macht Probleme. Oder sie haben Liebeskummer. Schwierigkeiten mit der Bewerbung. Angst vor Klassenarbeiten.
Es sind weniger konkrete Ratschläge, mit denen Ortwein auf die Schüler zugeht, vielmehr stellt sie ihnen Fragen, so dass sie "selbst darauf kommen, was sie verändern können oder was anders laufen müsste". Zum Beispiel, zu lernen, selbstbewusster zu sein oder mit Problemen anders umzugehen. Bei all dem richtet Julia Ortwein den Blick immer auf das "System, in dem der Jugendliche aufwächst", schaut danach, "was alles zusammenspielt". Die Eltern werden nur dann hinzugebeten, wenn die Jugendlichen das ausdrücklich wünschen - es sei denn, das Kindeswohl ist gefährdet. Gerufen wird Ortwein auch von Lehrern, wenn Krisenintervention im Not- und Akutfall angesagt und schnelle Hilfe gefragt ist.
Klischee
Schulsozialarbeit passt mehr zur Hauptschule und nicht so sehr zum Gymnasium, so denken viele - "aber die Probleme sind an allen Schulen die gleichen", meint Ortwein. Roland Götzinger formuliert es so: "Wir sind keine soziale Brennpunktschule. Aber wir stellen fest: Die gesellschaftliche Realität hat das Gymnasium erreicht." Der Schulleiter hat hier vor allem im Blick, dass weniger Schüler aus intakten Elternhäusern kommen. Für dieses Problem sei die Schule nicht verantwortlich, aber dennoch damit konfrontiert. "Wir Lehrer stoßen an eine Grenze und brauchen Fachleute, die dabei helfen, die Problemfelder zu begrenzen", ist der Schulleiter froh, mit Julia Ortwein das bereits existierende System an Prävention und Beratung noch komplettieren zu können. Von Schülerpaten, Verbindungslehrern, Schulseelsorge, Suchtbeauftragtem bis hin zu Arbeitskreisen, die sich mit dem sozialen Leben beschäftigen, ist alles da.
Ab wann bekommt Schulsozialarbeit gute Noten? "Ein funktionierendes Netzwerk ist das A und O, wenn Eltern, Lehrer, Schüler und alle anderen, die mit dem Kind zu tun haben - Tagesmutter oder Verein - an einem Strang ziehen", sagt Ortwein.