Kneipentour statt Herrenclub: Freilichtspiele proben für "Die Blaue Maus"
Das Ensemble der Freilichtspiele Neuenstadt probt derzeit für "Die Blaue Maus". Premiere des Boulevard-Stücks in drei Akten ist am 16. Juni.

Dieser Kater ist grauenhaft. Jungunternehmer Martin Werner (Lars Tönnies) schleppt sich aufs Sofa seines Jugendstil-Salons. Der Kopf ist schwer. Die Mundwinkel hängen. Selbst die Kaffeetasse schlackert traurig in der Hand. Wie hat er bloß die letzte Nacht verbracht? Mit Freund Gustl (Stefan Reis) war er gestern essen, so viel ist klar. Dazu gab es zwei Flaschen Wein. In der City Bar anschließend zwei Flaschen Sekt. "Aber was war dann?" Der Kumpel feixt: "Wir sind in die Blaue Maus. Und du hast dich blendend unterhalten." Mit Eva, Rita und zwei Flaschen Champagner. Dem Frischvermählten entgleisen die Gesichtszüge. Denn das ist alles gar nicht gut.
Aberwitzig

Warum? Das will das Ensemble der Neuenstadter Freilichtspiele noch nicht verraten. Seit Anfang April probt es auf der Bühne im Schlossgraben für "Die Blaue Maus", ein Boulevard-Stück in drei Akten nach einem Schwank von Carl Laufs, Curt Kraatz und Hugo Wiener. Das herrlich skurrile Stück zeichnet ein Sittenbild der goldenen 20er Jahre, in dem man es mit der bürgerlichen Moral nicht allzu genau nimmt. "Eine wunderbare Komödie und ein Fressen für die Schauspieler", sagt Regisseur Christian Marten-Molnár. "Die Figuren sind aberwitzig, werden aber nie lächerlich gemacht."
Neckisch

Kollegin Cosima Greeven nickt zustimmend. "Hier draußen müssen die Darsteller drei Mal so groß und deutlich spielen wie auf der kleinen Kammerbühne, wo wir im Frühjahr die ersten Szenen geprobt haben", umreißt sie die Herausforderungen, die auf die Schauspieler warten. Dann klettern beide aus den Zuschauerreihen zum Ensemble hinauf, um Änderungen zu besprechen. Zwar sitzen Text, Mimik und Gestik schon gut - aber es gilt, das Beste aus den Schauspielern herauszukitzeln. "Du merkst doch: Das ist ihm alles peinlich", ruft Marten-Molnár zu Darsteller Stefan Reis herüber, der seiner Figur einen neckischen Wiener-Akzent verpasst. "Da kann man toktoktok auf den Schädel klopfen. Mach es ihm schwer mit seinem dicken Kopf."
Reis nickt. Er ist in dieser Spielzeit besonders gefordert. Immerhin schlüpft er in eine Doppelrolle. Mit dunkler Pagenperücke und Stöckelschuhen wird Lebemann Gustl nämlich zum Mädchen. Ein Kunstgriff, der die Geschichte noch ein bisschen turbulenter macht. Schwer fällt es ihm nicht, sich in eine Frau zu verwandeln, sagt Reis. "Ich bin eigentlich noch nie mit den hohen Hacken gestolpert." Auch das Einfühlen in die Figur sei nicht so dramatisch. "Schon das Kostüm macht viel aus."
Lüge und Wahrheit

Komplizierter ist eine andere Sache: das Lügen. "Ich versuche immer, mich an eine Situation im Alltag zu erinnern, in der ich nicht die Wahrheit gesagt habe", gesteht Benjamin Ehnle, der im Stück Martin Werners Schwiegervater gibt. Lars Tönnies findet es schwer, den Lach-Impuls zu unterdrücken. "Man muss sich seine Lügen selber glauben." Bilden diese doch den Dreh- und Angelpunkt der verrückten Geschichte.
Auf der Bühne geht es derweil drunter und drüber. Laut Skript natürlich. Denn überraschend ist die Schwiegerfamilie des verkaterten Jungunternehmers aufgekreuzt. Wer legt hier wen aufs Kreuz? Und wer hat was zu verbergen? Eigentlich ist nur eins sicher: Als seine Ehefrau vor der Tür steht, ist Martin Werners "Brigitte - endlich!" komplett gelogen.
Info
Noch einen Monat lang proben: Die Freilichtspiele zeigen vom 16. Juni bis 30. Juli "Die Blaue Maus" - drei Akte nach einem Schwank von Carl Laufs, Curt Kraatz und Hugo Wiener. Während seine Frau Brigitte und seine Schwiegereltern eine Reise unternehmen, soll sich Martin Werner um die Mitgliedschaft bei dem exklusiven Herrenclub "Die Artusritter" bemühen. Schließlich ist sein Schwiegervater dort ein wichtiges Mitglied. Doch Martin zieht lieber mit seinem Freund Gustl durch die Kneipen. Als ein Telegramm die vorzeitige Rückkehr ankündigt, nimmt de Katastrophe ihren Lauf.
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