Durch Möckmühl mit Nachtwächter Bernd Raabe
Heute unterhält der Nachtwächter die Leute vor allem. Früher diente seine Arbeit der Sicherheit und manchmal auch der Geburtenkontrolle. Ein Rundgang zwischen "Hexenturm" und Badhaus.

Die Menschen am oberen Marktplatz hören eine Minute vor 20 Uhr das sonore Tuten eines Horns, das die Ankunft des Möckmühler Nachtwächters Bernd Raabe ankündigt. Mit Hellebarde, Lampe, schwarzer Nachtwächteruniform und Spitzhut ausgestattet, schreitet Raabe vor den Mechitabrunnen. Vorne baumelt ein dicker Schlüsselbund als Zeichen seiner nächtlichen Schlüsselgewalt in der Stadt.
Die präzise Uhrzeit wählt Raabe ganz bewusst, denn gleich wird die Turmglocke der Stadtkirche achtmal schlagen, und dann setzt Raabe zu seinem traditionellen und überlieferten Nachtwächterlied an: "Hört Ihr Leut´ und lasst Euch sagen, unsre Glock´ hat Acht geschlagen. Behüt" das Feuer und das Licht, dass nirgend wo ein Brand ausbricht. Menschenwachen kann nichts nützen, Gott muss wachen Gott muss schützen. Herr durch Deine Güt" und Macht, schenk uns eine gute Nacht."
Eigene Geschichte bekannt machen
Möckmühls Nachtwächter hat zu einem Rundgang durch seine Heimatstadt eingeladen, bei dem er den Gästen interessante, spannende, gruselige und heitere Sachen zeigen und erzählen wird. Raabe hat festgestellt, dass manchen Einwohnern ihre eigene Geschichte ebenso wenig bekannt ist, wie auch den Besuchern der Stadt. Sein Angebot richtet sich daher an beide Gruppen.
Bernd Raabe liebt seine Rolle als Nachtwächter. "Das macht er ganz toll", findet Helga Ziegler. Mit Begeisterung und sehr authentisch schildert er beim nächtlichen Gang die Ereignisse und Begebenheiten vergangener Zeiten. Man könnte annehmen, Raabe habe eine schauspielerische Ausbildung absolviert, wenn er in die Rolle des städtischen Nachtwächters schlüpft, die ihm auf den Leib zugeschnitten scheint: Wer ihn bei seiner Führung begleitete, bekommt einen guten Eindruck davon, unter welchen Bedingungen Nachtwächter über die Jahrhunderte arbeiteten. "Ihr Lohn war karg, und sie verdienten im Nebenerwerb was dazu", sagt Raabe.
Stadttore mussten verschlossen sein
Einst waren es sogar zwei Nachtwächter, einer für die Burghälfte, einer für die Stadthälfte", ruft er den Gästen zu. "Wir haben für Ruhe, Ordnung und Sicherheit der Bürger zu sorgen und kontrollieren die verschlossenen Stadttore und ob die Bürger auch ihre Türen und Fenster wohl verschlossen hatten, das Augenmerk gilt vor allem dem Gesindel", stellte Raabe fest. Er erinnert auch an lustige Wächter, die an manchen Häusern ausriefen: "Gebt acht, dass nichts geschieht, was man in neun Monaten sieht."
Folterungen in den Türmen
Bernd Raabe zeigt den Gästen den "Schinnersturm" und den "Hexenturm" und schildert ihnen auch deren gruselige Vergangenheit mit Folterungen. Am Badhaus erklärt er, wo der Begriff "eine Abreibung bekommen" herkommt und auch: Je nach Geldbeutel konnten diverse Leistungen wie Bier und Wein und vermutlich auch die Badmägde dazu gebucht werden, erklärt Raabe schmunzelnd. In der ehemaligen Schafgasse zeigt er das Haus, wo sein früherer Kollege Thomas Saur einst seine Frau aus Eifersucht erschoss und daher selbst hingerichtet wurde. "Der Nachtwächter-Job war eine reine Männersache", entnahm Raabe der Chronik. Allerdings waren sie auf einer niederen sozialen Stufe, fügt er an.
Zum Schluss geht es hinauf zur Oberamtei auf dem Schlossbuckel und wieder runter zum Mechita-Brunnen, nach zwei Stunden endet der spannende Marsch durch die Altstadt.

