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Autos aus Neckarsulm – auch nach 100 Jahren kein bisschen langweilig

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Neckarsulm - Bei Willi und Romy Weber kommt Wehmut auf, als der NSU Prinz 30 auf die Bühne beim Marktplatz fährt. Silbern glänzt er in der Sonne, die sich am späten Nachmittag durch den dicken Wolkenhimmel über Neckarsulm kämpft. 50 Jahre hat der Oldtimer vor ihnen auf dem Buckel. „Den gab es mit 20 und 30 PS“, erinnern sie sich. Stolz wie Bolle waren sie damals, 1962, mit ihrem ersten eigenen Auto.

Von Andreas Tschürtz
Qualmende Reifen auf der zur Rennstrecke umfunktionierten Hafenstraße: Mit Reifenwechsel-Demonstrationen und Tempo-Show ließ Audi am Jubiläums-Samstag zur Freude der Zuschauer richtige DTM-Stimmung aufkommen. Neben den aktuellen Autos zeigten auf der Strecke auch Rennfahrzeuge aus verschiedenen Epochen, was sie können.


Neckarsulm - Bei Willi und Romy Weber kommt Wehmut auf, als der NSU Prinz 30 auf die Bühne beim Marktplatz fährt. Silbern glänzt er in der Sonne, die sich am späten Nachmittag durch den dicken Wolkenhimmel über Neckarsulm kämpft. 50 Jahre hat der Oldtimer vor ihnen auf dem Buckel. „Den gab es mit 20 und 30 PS“, erinnern sie sich. Stolz wie Bolle waren sie damals, 1962, mit ihrem ersten eigenen Auto.

Mit zwei Türen, 0,6 Liter Hubraum und wenig mehr als drei Metern war das 500-Kilo-Leichtgewicht kaum größer als ein Smart. Doch was heute ein Winzling für den Stadtverkehr ist, war für Webers der Familienwagen für alles. „Im Urlaub waren wir mit dem Prinz sogar in Italien – mit Kind und Gepäck.“ Dass manchmal der Kofferraumdeckel aufsprang und die Sicht nahm – der Motor war wie beim Käfer im Heck, das Gepäck vorn –, macht für Webers den Prinz umso liebenswerter. Menschlich halt, mit Fehlern. „Als wir das Auto verkauft haben wegen dem zweiten Kind, da habe ich fast geheult“, sagt Romy Weber.

Große Kulisse für die Oldtimer: Ob NSU Prinz oder Audi 100 –die Senioren unter den Autos zogen ganz besonders viele Blicke der Zuschauer auf sich.

So wie dem Ehepaar geht es vielen an diesem Samstag, die dem Autobauer zum Firmenjubiläum einen Besuch abstatten. Denn neben viel Show und Einblicken in den Fahrzeugbau – Wie funktioniert ein Handschuhfach? Wie sind Türen und Sitze aufgebaut? Was passiert in Motoren, Getriebe und Abgasanlagen? – präsentiert Audi vor allem die Kapitel der Unternehmensgeschichte: mit Ausstellungen und Korsos wie dem der historischen Fahrzeuge, den Willi und Romy Weber anschauen.

Dass die Oldtimer ihren technisch-nüchternen Nachfolgern von heute nicht nur in punkto Besitzerstolz das Wasser reichen können, zeigt auch der Verbrauch. Gerade mal sieben Liter schluckte der NSU 1200, der Mitte der 60er gebaut wurde. Der war eine stattliche Limousine mit 50 PS. „Die waren halt auch viel leichter als heute – da hilft alle Leichtbauweise nichts“, sagt Rentner Willi Dollmann. Keine Fensterheber, keine Klimaanlage, nicht mal Nackenstützen hatte der 1200er.

Willi Dollmann kam 1950 zu NSU. Nach der Übernahme 1969 durch VW wurde er Audianer. Das ist er im Herzen noch heute. Nur eins hat sich geändert. „Früher habe ich an allem rumgeschraubt, an den Motorrädern ebenso wie an den Autos.“ An seinem A3 legt er außer vielleicht mal zum Reifenwechseln keine Hand mehr an. „Das geht bei der ganzen Technik ja auch nicht mehr.“ Und in Zukunft wird sowieso alles noch einmal ganz anders werden, glaubt er. „Der Elektromotor wird kommen, da bin ich sicher.“

Früher Äcker, heute Hallen

Vor einer Stellwand mit großen Schwarz-Weiß-Fotos steht Besenwirt Erwin Breuninger aus Hölzern und schaut sich die historischen Luftaufnahmen vom Werksgelände an. „Unglaublich“, sagt der 72-Jährige, „wie klein das mal war.“ Als Bub sei er, wo jetzt gewaltige Hallen in den Himmel ragen, mit seinem Vater auf dem Pferdefuhrwerk entlanggefahren. „1946/47 war das. Wir haben Brennholz geliefert. Überall waren Felder, bis Kochendorf.“ Später wurde Erwin Breuninger zum Audi-Fahrer. „Weil das gute Autos sind. Und weil die hier in der Region Arbeitsplätze sichern.“ Und wie stellt er sich Audi, das Auto überhaupt in Zukunft vor? „Klar ist, am Antrieb muss sich etwas ändern. Die Abgase, die Umweltverschmutzung: Das geht so nicht weiter. Aber ohne Auto geht es auch nicht. Nicht in fünfzig und nicht in hundert Jahren.“

Weit weg von solchen Zukunftsüberlegungen sind die vielen Kinder, die sich überall herumtreiben. „Wow“, „geil“ und „fett“ finden sie die Gegenwart, die nichts zu wünschen übrig lässt. Sinan, elf Jahre, ist im Auto eine haushohe Rampe erst steil nach oben, dann fast senkrecht hinunter gefahren. Das war krass. „Aber noch geiler ist die Musik. Und die Fahnen, die ich geschenkt bekommen habe. Und die DTM.“ Dort, bei der Tourenwagen-Vorführung, steht der zwölfjährige Moritz Krebs. Er reicht gerade mit dem Kopf über die Absperrung der Rennstrecke. Qualm und Gummigeruch liegen in der Luft. Quietschend und röhrend jagen die Tourenwagen vorbei. „Der Krach“ gefällt dem kleinen Obereisesheimer am besten.

Die ungeteilte Aufmerksamkeit von Lea Eitrich aus Bad Friedrichshall gehört dagegen einem Rennreifen, der nicht viel kleiner ist als sie selbst. Schubsend rollt sie ihn über den Vorplatz des Audi-Forums. Die Zwölfjährige hat ihn geschenkt bekommen. Ihre Idee, den Reifen bei Papas Auto aufzuziehen, sieht der aber mit Skepsis. „Ich glaube, da machen wir besser einen Couchtisch draus, mit Glasplatte obendrauf.“

Ein Glastisch, schöne Erinnerungen, Fähnchen in Kinderzimmern – Was bleibt noch vom Jubiläum? Die Einsicht, dass Audi zur Region gehört, findet Peter Krebs, der Vater von Moritz. „Wenn der Standort Mitte der 70er geschlossen worden wäre – ich will mir nicht ausmalen, wie es hier heute aussehen würde.“




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