Interview
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Bosbach: Gut, dass uns ein erneutes Duell erspart geblieben ist  

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Der ehemalige Vize-Fraktionschef würdigt die Entscheidung von Ralph Brinkhaus, früher den Weg für Friedrich Merz freizumachen. Personelle Wechsel müssten jetzt kombiniert werden mit einer klaren inhaltlichen Positionierung, so Bosbach, im Sinne einer konstruktiven Oppositionsarbeit. 

von Hans-Jürgen Deglow
Wolfgang Bosbach (CDU), Politiker und ehemaliger Abgeordneter (MdB) des Deutschen Bundestages.
Wolfgang Bosbach (CDU), Politiker und ehemaliger Abgeordneter (MdB) des Deutschen Bundestages.  Foto: Rolf Vennenbernd (dpa)

Herr Bosbach, nach der Wahl zum neuen CDU-Parteichef wird Friedrich Merz auch neuer Fraktionschef. Endlich wieder gute Tage für die Union?

Wolfgang Bosbach: Ja! Vor der Entscheidung von Ralph Brinkhaus habe ich großen Respekt. Der Verzicht fällt ihm ganz gewiss nicht leicht, er wäre sicherlich gerne bis zum Ende der Wahlperiode Fraktionsvorsitzender geblieben. Dass er nunmehr Friedrich Merz den Vortritt lässt, erspart nicht nur der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sondern auch der CDU eine erneute Personaldebatte, davon hatten wir in den letzten Jahren ohnehin mehr als genug. Ich hoffe, dass die Union sich ab sofort voll und ganz auf die Sacharbeit und ihre Rolle als konstruktive Opposition konzentrieren wird. 

 

Der Oppositionsführer gibt aus Ihrer Sicht den Takt vor. 

Bosbach: Ralph Brinkhaus hat das Amt in überzeugender Weise ausgeübt, das hätte für seine Wiederwahl gesprochen. Andererseits ist verständlich, dass der neue Parteivorsitzende auch den Fraktionsvorsitz übernehmen möchte, denn gerade in der Opposition kommt dem Vorsitzenden der größten Oppositionsfraktion eine besondere Bedeutung zu. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Genau das wird auch der Gedanke von Angela Merkel gewesen sein, als sie 2002 neben dem Partei- auch den Fraktionsvorsitz angestrebt hat. Damals zu Lasten von Friedrich Merz. Gut, dass uns ein erneutes Duell erspart bleibt. 

 


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Wie wichtig war es, dass Friedrich Merz jetzt direkt das Momentum des starken Ergebnisses beim Mitgliedervotum nutzt?

Bosbach: Sowohl bei der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Nachfolgerin von Angela Merkel, auch als bei Ihrem Rücktritt und der Wahl von Armin Laschet war Friedrich Merz der Favorit der Basis - aber eben nicht der Parteiführung und der Delegierten. Jetzt hatte erstmals die Basis das Wort und deren Votum zugunsten von Merz war sehr eindeutig. Die große Zustimmung, auch auf dem digitalen Parteitag, war für ihn sicherlich ein starkes Argument, auch den Fraktionsvorsitz zu übernehmen. 

 

Was versprechen Sie sich denn konkret jetzt von Friedrich Merz als Führungsfigur in der Opposition?

Bosbach: Im Kern geht es um drei Dinge: Eine gut durchdachte, keine unnötigen Blessuren hinterlassende personelle Neuaufstellung – da sind schon auf dem Parteitag die richtigen Weichen gestellt worden. Eine inhaltliche Konkretisierung dessen, was landläufig mit „Modernisierung“ der CDU gemeint ist. Und die Wiederaufrichtung einer nach dem Debakel der Bundestagswahl immer noch leicht verunsicherten CDU. Gerade im Hinblick auf die vor uns liegenden Landtagswahlen des Jahres 2022. Ich traue dem hervorragenden Redner Friedrich Merz zu, dass gerade er diese Aufgabe mit Bravour meistern wird.

 


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Sie haben einst als Vize mit Friedrich Merz eng zusammengearbeitet, sind mit ihm befreundet. Was zeichnet ihn aus?

Bosbach: In unserer langjährigen, stets guten Zusammenarbeit habe ich mit ihm nur gute Erfahrungen gesammelt, politisch und menschlich. Er hat seine umfassende Kenntnis in vielen Bereichen der Politik, er ist ein guter Analytiker und ein kerniger Redner, der die Dinge auf den Punkt bringen kann. Er wurde viel zu häufig als „rechts“ charakterisiert, wobei das heute ohnehin Ruckzuck geht – sofern man nicht explizit linke Positionen vertritt. Er selber dürfte sich wohl eher als Wirtschaftsliberalen sehen. Als „rechts“ gilt er wohl, seitdem er vor Jahren den von Bassam Tibi geprägten Begriff „Leitkultur“ in die politische Debatte eingeführt hatte. Aber was ist bitteschön „Rechts“ an der Meinung: Wenn in einem relativen kleinen Land wie Deutschland, mit gut 82 Millionen Einwohnern, alle friedlich und konfliktfrei miteinander leben wollen – unabhängig von Hautfarbe, Religion und Staatsangehörigkeit – dann müssen alle in gleicher Weise unsere Rechts- und Werteordnung respektieren? 

 

Bedeutet das neue Machtgefüge auch eine Art Abkehr von der Ära und Politik Angela Merkels?

Bosbach: Ach wissen Sie, jede Zeit hat neue Aufgaben, Probleme und Herausforderungen. Und in jeder dieser Zeiten müssen die sich stellenden Fragen neu bewertet und beantwortet werden. Seit zwei Jahren überlagert Corona fast alle anderen Themen. Jetzt kommt aktuell die Ukraine-Krise hinzu. Die Folgen des doppelten Ausstiegs, sowohl aus der Kernenergie als auch aus der Kohleverstromung, werden immer noch von vielen unterschätzt. Mein Rat: Nach vorne, nicht dauernd in den Rückspiegel gucken.

 

Bei der Wahl 2017 verlor die Union rund acht Prozentpunkte, 2021 folgte noch einmal ein Minus von fast neun Prozentpunkten. Haben Sie nun zum wieder Hoffnung auf eine Wende?

Bosbach: Ich musste wirklich schmunzeln, als ich gelesen habe, dass die CDU eine wissenschaftliche Studie über die Gründe für das Wahldebakel in Auftrag gegeben hat. Das hätte ich in fünf Minuten erklären können, aber vermutlich mit einem eher rustikalen Vokabular. Wenn wir aus der Analyse jetzt die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und mit durchgedrücktem Kreuz und einer überzeugenden Programmatik in die kommenden Wahlkämpfe gehen, dann bin ich in der Tat optimistisch. 

 

Franz Müntefering sagte einmal: Opposition ist Mist. Aber ist es nun fast schon hilfreich, dass sich die Union jetzt in der Opposition regenerieren und neu aufstellen kann?

Bosbach: Ich bin auch lieber Mitglied einer Regierungsfraktion als einer Oppositionsfraktion. Aber wenn man von der Regierungspartei zur Oppositionspartei wird, ist das immer eine Zäsur. Personelle Wechsel müssen jetzt kombiniert werden mit einer klaren inhaltlichen Positionierung, im Sinne einer konstruktiven Oppositionsarbeit. 

 

Ein konkretes Beispiel?

Bosbach: Es müssen nicht immer nur Corona oder die Ukraine sein. Beispiel: Der abrupte Förderstopp für klimaschonendes Bauen. Angeblich, weil das entsprechende Förderprogramm der alten Regierung zu erfolgreich war. Es wollten zu viele, nicht zu wenige Bauwillige in Anspruch nehmen. Ergebnis: Unnützer Planungsaufwand, geplatzte Finanzierungen, verzweifelte Bauwillige – und die Regierung hat Null Ahnung, wie es jetzt ganz konkret weitergehen soll. Und Bauen wird sowieso immer teurer. Das wäre jetzt die Stunde der Opposition und das ist nur ein einziges Beispiel.

 

Noch einmal zu den anstehenden Landtagswahlen. Welche Bedeutung hat hier die Entscheidung pro Merz? 

Bosbach: Die personelle Neuaufstellung der CDU ist ein wichtiger Meilenstein zu einem erfolgreichen Comeback der Union. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In Schleswig-Holstein, dem Saarland und in NRW treten wir jeweils mit den Amtsinhabern, also inklusive Amtsbonus an. Auch das alleine ist keine Erfolgsgarantie, aber wenn die Kombination von Personen und Programmen stimmt – plus einer motivierten Partei – dann hat die CDU berechtigt Grund zur Zuversicht.

 

 

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