Ampel-Koalition plant Renten-Reform: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die Bundesregierung plant ein Rentenpaket, welches das Rentenniveau sichern und eine Erhöhung der Beiträge verhindern soll. Ein Teil des Vorhabens ist die Aktienrente. Erste Verbände zeigen sich bereits skeptisch.
Die Beiträge sollen gleichbleiben, das Rentenniveau muss gesichert werden und das Eintrittsalter soll sich nicht erhöhen – das deutsche Rentensystem steht vor gewaltigen Herausforderungen. Millionen Babyboomer wechseln nach und nach in den Ruhestand, sie werden von Beitragszahlenden zu Rentenbeziehern.
Die Generationen, die folgen, sind zahlenmäßig viel weniger, das belastet das System erheblich. Wie damit umgehen? Am Dienstag stellen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ihre Pläne für die Rente im sogenannten „Rentenpaket II“ vor.
Rentensystem in Deutschland: Wie ist die Situation aktuell?
Zurzeit funktioniert die Rente in Deutschland nach dem Umlageverfahren. Das bedeutet, alle derzeitigen Beitragszahler finanzieren die Rente für die heutige Rentnergeneration. Dieses Verfahren gerät mit dem demografischen Wandel ins Wanken – wenn also viel mehr Menschen in Rente gehen, als aktiv auf dem Arbeitsmarkt sind und Beiträge einzahlen. Genau an diesem Punkt steht unsere Gesellschaft heute, weshalb eine Reform nötig wird. Allerdings wird die gesetzliche Rentenversicherung bereits heute zu einem großen Teil durch den Bundeshaushalt mitfinanziert, also bezuschusst.
Das Rentenniveau in Deutschland liegt aktuell bei 48,2 Prozent und soll auch nicht unter 48 Prozent sinken, so die Pläne der Politik. Das Rentenniveau gibt an, wie hoch die Rente im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen ist. Bleibt alles so wie es ist, sinkt das Rentenniveau laut Rentenversicherungsbericht aber bis 2037 auf 45 Prozent ab. Der aktuelle Beitragssatz liegt bei 18,7 Prozent, ohne Veränderung könnten die Beiträge bis 2037 auf 21,1 Prozent steigen.
Was plant die Ampel-Koalition zur Reform der Rente?
Bei den aktuellen Plänen handelt es sich nicht um die Aktienrente, für die vor allem die FDP immer wieder geworben hat. Bei der Aktienrente sollten zwei Prozent des persönlichen Einkommens in eine kapitalgedeckte Vorsorge investiert werden, das heißt, das eigene Geld wird in Aktien, Fonds oder Anleihen am Kapitalmarkt investiert. Bei den Vorschlägen jetzt geht es aber nicht um privates Geld, sondern um öffentliches Geld des Bundes. Christian Lindner will hierfür das sogenannte „Generationenkapital“ verwenden. Dieses Konzept soll laut Bundesfinanzministerium die Rente modernisieren und Beitrags- und Steuerzahler entlasten.
Hierfür soll der Bund aus öffentlichen Mitteln einen "Kapitalstock" aufbauen, konkret sollen 12 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt angelegt werden. Die angelegte Summe soll jährlich um drei Prozent anwachsen, zusätzlich sollen bis 2028 Vermögenswerte des Bundes in Höhe von 15 Milliarden Euro übertragen werden. So sollen bis Mitte der 2030er Jahre rund 200 Milliarden Euro zusammenkommen.
Durch die hier erzielten Erträge sollen die Rentenbeiträge stabilisiert und die jüngere Generation entlastet werden. Das Geld soll zweckgebunden werden, das heißt es wird gesetzlich festgeschrieben, dass die Erträge nur für die Rentenfinanzierung verwendet werden darf.
Das Rentenniveau soll auf einem Mindestniveau von 48 Prozent bestehen bleiben. Diese Pläne sind ein Kompromiss innerhalb der Koalition, denn insbesondere die Grünen stehen der klassischen Aktienrente eher skeptisch gegenüber. Mit den Plänen des Generationenkapitals soll jetzt aber trotzdem eine „kapitalgedeckte Säule“ in die gesetzliche Rentenversicherung mit einfließen. Nicht geplant ist, dass Rentenbeiträge in Aktienfonds investiert werden.
Woher kommt das Geld und wo wird es investiert?
Das Bundesfinanzministerium sagt: „Im Bundeshaushalt 2023 sind für den Aufbau Kredite des Bundes in Höhe von 10 Mrd. Euro vorgesehen.“ Für den aktuellen Bundeshaushalt ist eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 39 Milliarden Euro geplant, das ist der maximal zulässige Betrag innerhalb der Schuldenregel. Gleichzeitig wird für das benötigte Geld für das Generationenkapital angegeben, dass dieses Geld nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden muss: Es ist aber bisher trotzdem nicht wirklich ersichtlich, ob die 10 Milliarden Euro für das Generationenkapital nun in den 39 Milliarden enthalten sind, oder nicht.
Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, dass das Generationenkapital als dauerhafter Fonds von einer „unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stiftung“ verwaltet und „langfristig, breit, diversifiziert und global angelegt“ wird, so das Bundesfinanzministerium.
Gegen die Skepsis der Grünen, dass es riskant und spekulativ sei, Geld an den Finanzmärkten anzulegen, wird vor allem argumentiert, dass bei solchen Anlagen wichtig sei, nicht kurzfristig zu planen, sondern über viele Jahre. "Je länger der Anlagehorizont, desto geringer die Gefahr, mit Aktien Verluste zu erleiden", sagt das Deutsche Aktieninstitut.
In welchen Ländern gibt es bereits eine Aktienrente?
Das Modell der Aktienrente ist vor allem aus Schweden bekannt, aber auch in Norwegen ist ein Teil des Rentensystems durch eine Aktienrente finanziert. In Schweden müssen Versicherte 2,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens in Vorsorgefonds investieren. Dabei können sie selbst aus über 800 Fonds auswählen. Trifft man keine Auswahl, wird das Geld automatisch in sogenannte AP7-Fonds angelegt, der staatlich verwaltet ist.
In Norwegen gibt es eine verpflichtende Betriebsrente, die am Kapitalmarkt orientiert ist: Hier zahlen Arbeitgeber mindestens zwei Prozent des Bruttolohns ihrer Arbeitnehmer: Das Geld wird hauptsächlich in Fonds angelegt.
Welche Kritik gibt es am geplanten Rentenpaket der Ampel-Koalition?
Verschiedene Verbände und Ökonomen haben sich bereits skeptisch gegenüber den Plänen der Ampel-Koalition gezeigt. So sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, dass die Geldanlage in Aktien sich erst nach dreißig Jahren rentiere – und damit viel zu spät komme, um das Rentensystem jetzt zu stabilisieren.
Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) zeigt sich skeptisch gegenüber dem Generationenkapital. Die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier glaubt nicht, dass damit Generationengerechtigkeit erzielt werden könne. "Die gesetzliche Rentenversicherung ist denkbar ungeeignet, um damit an der Börse zu spekulieren", warnt zum Beispiel Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
Der Ökonom Bernd Raffelhüschen kritisiert, dass die Reformpläne die Rente nicht nachhaltig sichern könnten. „Heil plant die Quadratur des Kreises: Das Rentenniveau bei 48 Prozent zu belassen und das Renteneintrittsalter nicht zu erhöhen ist ökonomischer Wahnsinn und wäre in Mathe eine sechs“, sagte der Freiburger Professor für Finanzwissenschaft dem Nachrichtenportal „The Pioneer“. Auch das Generationenkapital kritisierte der Ökonom. Ein kreditfinanziertes Besparen von Aktien könne durch die Schuldenlast keine nennenswerte Rendite erwirtschaften - „vielleicht ein Prozent und das ist bei weitem nicht genug, um das Rentensystem zu stützen“.

Stimme.de