Zwischen Großstadt und Dorfidylle

Warum die Wahl des Wohnorts nicht an Klischees hängen sollte - Informationen vorab einholen

Kann einem auch zu laut und hektisch werden: ein quirliges Nachtleben in der Stadt. Foto: Christophe Gateau/dpa

Großstädte sind laut, dreckig und chaotisch. Wer hier wohnt, bleibt weitestgehend anonym, hat dafür aber kurze Wege. Und das nächste Kino ist gleich ums Eck. Auf dem Dorf hingegen ist es ruhig und idyllisch. Hier kennt jeder jeden, doch wer wirklich dazu gehören will, sollte sich zumindest im Schützenverein engagieren.  Zum nächsten Supermarkt oder Kino kommt man nur mit dem Auto. Nicht immer hat man die Qual der Wahl, manchmal aber schon: Wer sich entscheiden muss, ob künftig eher die Großstadt der Lebensmittelpunkt sein soll oder das Landleben mehr lockt, der wird häufig mit solchen Klischees konfrontiert.

Unterschiede Die Stadt als Moloch und das Dorf als Idylle umgeben von Feldern - dass Bilder wie diese viel zu kurz greifen, weiß Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Sie erforscht die Entwicklung der Städte und sagt: „Man kann alles überall finden.“

Die Großstädte seien inzwischen Heimat von Wildbienen, Füchsen und Co. und hätten längst einen Bezug zur Natur. Und auf dem Land finde man manches Mal statt idyllischer Bauernhöfe großflächig wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe. „Die Gegebenheiten müssen immer lokal beurteilt werden und sind damit sehr unterschiedlich“, erklärt Ricarda Pätzold. Und neben Großstädten gibt es schließlich auch noch Mittel- und Kleinstädte.

Doch tatsächlich gibt es Unterschiede, die auf der Hand liegen. Je größer eine Stadt ist, desto mehr regelhafte Angebote hat sie meistens. Die Wahrscheinlichkeit, ein Opernhaus vorzufinden, ist in der Großstadt höher als in der Kleinstadt. Ähnlich sieht es etwa im Bereich Bildung aus“, sagt Pätzold. Was vor allem junge Menschen in die Großstädte ziehe, seien die Aussichten auf viele Menschen, viel Austausch, viel Fremdheit, gepaart mit guten kulturellen und sozialen Angeboten.

„Das persönliche Bauchgefühl ist oft ein guter Ratgeber.“
Psychologin Inka Aniol

Lebensphase Über einen Umzug denken Menschen ohnehin besonders in biografischen Umbruchphasen nach: etwa, wenn die Gründung einer Familie ansteht, eine Trennung vom Partner oder die Entscheidung für einen Altersruhesitz. Je nach Lebensphase empfiehlt Ricarda Pätzold, die eigenen Bedürfnisse in den Blick zu nehmen. Themen wie der Arbeitsweg oder die gute Erreichbarkeit einer passenden Schule können dabei eine Rolle spielen, Fragen nach der Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel oder die ärztliche Versorgung.

Persönlichkeit Doch die persönlichen Wohnbedürfnisse hängen neben der Lebenssituation entscheidend mit der Persönlichkeit eines Menschen zusammen. „Wer Flexibilität und Unabhängigkeit schätzt, matched vielleicht gerade eher mit einer Stadtwohnung als mit Haus und Garten“, sagt die Wohnpsychologin Inka Aniol.

Um herauszufinden, ob man einen Umzug wirklich wagen sollte und wenn ja, wohin -, kann man auf einen Klassiker setzen: die Pro-und-Kontra-Liste. Aniol rät, dafür alle möglichen Informationen über den neuen Wohnort vorab einzuholen vom Busfahrplan, über Kitas, Schulen, Sportmöglichkeiten oder Vereine bis hin zu Kennenlerngesprächen mit den möglichen Nachbarn. 

Probewohnen Neben den harten Fakten sollte aber auch das persönliche Bauchgefühl nicht zu kurz kommen. „Es ist oft ein guter Ratgeber. Ich würde deshalb jedem empfehlen, sich Raum und Zeit zu nehmen, um auf das Bauchgefühl zu hören“, sagt Aniol. Umzugswilligen rät sie, wenn möglich, eine Art Probewohnen zu machen. „Sich irgendwo einmieten und es ausprobieren. Damit hat man die Möglichkeit, eine Art Alltag zu erleben.“ Und nicht immer kann man alleine entscheiden. Wer über einen Umzug mit der Familie nachdenkt, sollte sich mit allen Mitgliedern austauschen.                         dpa