Aufstehen, frühstücken, kurz ein Rezept vom Arzt abholen, einkaufen gehen - und das im Doppelpack: Viele ältere Paare verbringen 24 Stunden am Tag miteinander, einige auf engem Raum in kleinen Wohnungen. Trotz der räumlichen Nähe stellt sich dann manchmal ein Gefühl von Distanz ein. Und vielleicht pikst wieder und wieder die Erkenntnis: Wir haben uns kaum noch etwas zu erzählen. „Da wird dann oft auch auf die Lautsprechertaste gedrückt, wenn man telefoniert, so dass man sich selbst aus Telefonaten nichts Neues zu erzählen hat“, sagt Professor Michael Vogt. Er forscht an der Hochschule Coburg zu Partnerschaft im Alter. „Dieses permanente Mithören ist etwas, das die Beziehung stark sättigt“, sagt Vogt.
Sozialkontakte Dass Partnerschaften sich mit zunehmendem Alter in diese Richtung entwickeln, ist dem Wissenschaftler zufolge keine Seltenheit. Es gibt Gründe dafür: Mit zunehmendem Alter brechen immer mehr Sozialkontakte weg, „Freundinnen und Freunde sterben, Kinder wohnen weit entfernt“, sagt Vogt.
Vielleicht hat sich der Radius, in dem sich das Leben abspielt, aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen verkleinert. Reisen, Ausflüge, Theaterbesuche sind komplizierter geworden. So ergeben sich immer weniger neue Impulse von außen, wenn Paare es nicht aktiv darauf anlegen. Das führt zu dem Gefühl, sich wenig zu erzählen zu haben.
Themen Außerdem verengt sich bei Paaren die Kommunikation oft auf den funktionalen Aspekt, so Michael Vogt. Das heißt: Sie sprechen vor allem über die Organisation des Alltags. Wer kauft den nächsten Kasten Wasser? Was wollen wir am Wochenende kochen? Haben wir Heizöl bestellt?
Das sind Gesprächsthemen, die mit der eigenen Innenwelt, also Bedürfnissen, Emotionen, Wünschen, wenig zu tun haben. Doch genau der regelmäßige Austausch darüber ist wichtig, wie der Ehe- und Paarberater sagt. Und wenn man nun den Gedanken hat: „Aber ich kenne meinen Mann doch in- und auswendig, ich weiß doch, wie er denkt und fühlt?“ Das kann sogar Teil des Problems sein. „Eine der großen Schwierigkeiten in der Kommunikation ist, dass ich bestimmte Fragen nicht mehr stelle, weil ich meine, die Antwort im Voraus zu kennen“, sagt Michael Vogt. Auch dadurch kann die emotionale Kommunikation zum Erliegen kommen.
Für Paare, die sich darin wiedererkennen, hat Dorothee Döring eine gute Nachricht: „Es gibt Möglichkeiten, wie man eine Beziehung am Laufen halten kann“, sagt die Pädagogin und Kommunikationsberaterin. Allerdings geht das nicht ohne Arbeit: „Man muss sich füreinander interessieren, eine gewisse Disziplin an den Tag legen, immer wieder Gespräche zu eröffnen - und sich in das einfühlen, was dem anderen wichtig ist.“
Fester Termin Dorothee Döring schlägt das Konzept der Zwiegespräche vor. Entwickelt hat es der Psychotherapeut Michael Lukas Moeller in den 1980er-Jahren. Es ist eine Anleitung, der Paare folgen können, um bessere Gespräche zu führen, und beginnt damit, dass sie einen festen Termin in der Woche vereinbaren. Das können anderthalb Stunden sein, man kann aber auch mit 15 Minuten einsteigen. „Gesprochen wird über Dinge, die einen in den letzten Tagen bewegt, geärgert, frustriert oder gefreut haben“, sagt Döring. Vogt nennt eine Frage, mit der Paare ein Gespräch eröffnen können: „Wie geht es dir mit mir?“ Diese habe einen anderen Akzent, als wenn man aus seinem Fundus von Enttäuschungen erzähle. „Es geht um echtes Interesse an einer Rückmeldung.“ dpa
Von Ricarda Diekmann