Waltraud Renz-Luz: Für ein Instrument ist es nie zu spät

Musikschule Heilbronn: Immer mehr Senioren beginnen, im Alter (wieder) zu musizieren

Nach ihrer Pensionierung hat Waltraud Renz-Luz 2015 das Klarinette-Spielen für sich entdeckt. Die frühere Grundschullehrerin übt meist in den Abendstunden auf ihrem Instrument. Foto: Andrea Eisenmann

Mit 67 die Mondscheinsonate von Ludwig van Beethoven auf dem Klavier spielen oder die Garagenband nach 40 Jahren wieder zum Leben erwecken? Ist das unrealistisch? Mitnichten, sagen Musikpädagogen. Längst nicht nur Kinder und Jugendliche greifen zum Instrument. In den vergangenen Jahren ist auch der Anteil der Erwachsenen gestiegen, die es jenseits der 60 musikalisch wissen wollen. Beziehungsweise wieder wissen wollen. Und so werden ältere Neu- oder Wiedereinsteiger immer stärker zur Zielgruppe von Musikschulen und Vereinen.

Mietinstrument 2015 war das Jahr, in dem Waltraud Renz-Luz aus Weinsberg in Pension ging. Und es war das Jahr, in dem sie sich einen langgehegten Wunsch erfüllte. Im Musikhaus Heilbronn suchte sich die frühere Grundschullehrerin ein Holzblasinstrument aus, das ihrer Ansicht nach am besten zu ihr passte. „Es wurde die Klarinette, die ich nie zuvor gespielt habe“, erinnert sie sich. Zunächst mietete sie das Instrument für ein halbes Jahr und übte zu Hause. Dann entschied sie sich, professionellen Unterricht zu nehmen und meldete sich in Neckarsulm in der Musikschule an. Auch ein eigenes Instrument sollte nun her. „Beim Kauf war ich gespannt, ob und welcher Klang mich anspricht.“ Schnell sei ihr klar gewesen-die oder keine. „Meine Klarinette hat einen warmen, weichen Ton.“

Seither geht Waltraud Renz-Luz jede Woche zum Unterricht. Lediglich die Corona-Pandemie, während der Präsenz-Unterricht oft nicht möglich war, unterbrach den Rhythmus. Dreimal habe sie seit ihren Anfängen eine neue Lehrerin suchen müssen, „aber ich wusste immer, dass ich weitermachen möchte“.

Kostenfrage Keine Zeit beziehungsweise kein Geld - diese Argumente werden oft als Begründung angeführt, warum man nicht früher zu einem Instrument gegriffen hat. Das war auch bei Waltraud Renz-Luz so. Als ältestes von fünf Kindern habe sie zwar eine C-Blockflöte besessen, sagt sie. Unterricht zu nehmen, war wegen der Kosten aber lediglich der zweitältesten Schwester vorbehalten, die Klavier spielte. „Da war ich manchmal schon neidisch.“

Aber auch aus medizinischer Sicht ist aktives Musizieren ratsam, schließlich wirkt es sich positiv auf das Gehirn aus. So wurde in einer Studie festgestellt, dass nach sechsmonatigem Klavierunterricht signifikante Verbesserungen von Gedächtnisleistungen bei über 60-Jährigen erzielt werden können. Eine andere Untersuchung belegt, dass Musizieren gegen Einsamkeit und Depression wirkt, schließlich werden dabei positive Botenstoffe im Gehirn aktiviert.

Vernetzungen Wer sein Leben lang gelernt hat, tut sich leichter damit, jenseits der 60 noch zum Instrument zu greifen. Auch Menschen, die in der Kindheit aktiv musiziert haben, sind im Vorteil. Denn die Vernetzungen im Gehirn-zwischen Fingern und Gehör beispielsweise - gehen nicht verloren. „Grundsätzlich ist jedes Instrument altersunabhängig erlernbar“, ist Uta-Mirjam Theilen, Leiterin der Städtischen Musikschule Heilbronn, überzeugt. Wie bei jungen Menschen komme es auf die persönlichen Fähigkeiten und Gegebenheiten an. Zwar nehme die körperliche Beweglichkeit mit zunehmendem Alter ab, dem könne man aber gerade durch tägliches Üben entgegenwirken.

Dass sie ,,ihrem“ Instrument treu bleibt, ist für Waltraud Renz-Luz keine Frage. „Man freut sich über die vielen Fortschritte und ist stolz darauf, soweit gekommen zu sein“, betont sie. Auch wenn ihr mancher Fingergriff in jungen Jahren vielleicht leichter gefallen wäre. Aber nun gibt es andere Vorteile. „Wenn ich abends übe, habe ich absolut keinen Zeitdruck. Es gibt nur mich und das Instrument.“

Von unserer Redakteurin
Andrea Eisenmann