Alle reden davon, dass man seinen alten Benziner der Umwelt zuliebe gegen ein klimafreundliches Elektroauto ein tauschen soll. Aber wie fährt man damit längere Strecken?
Die Reise beginnt, noch bevor ich hinter dem Steuer sitze. Eine App muss heruntergeladen werden, die mir verrät, wo ich den Opel CorsaE auf der 450 kilometer langen Strecke aufladen kann. Genau die möchte ich in meinem Selbstversuch „Mit dem E-Auto in den Urlaub" bewältigen. Es soll in die Berge, ins Berchtesgadener Land gehen. Mit meinem alten Benziner brauche ich in der Regel vier Stunden und 15 Minuten, bis ich in Bad Reichenhall ankomme ohne Pausen, die verkneife ich mir.
337 kilometer stehen als Reichweite im Display, als ich mit dem Elektro-Kleinwagen vom Hof rolle. Kaum fahre ich in Untergruppenbach auf die Autobahn und beschleunige auf 120 km/h, verringert sich die Distanz deutlich. Es geht vorbei an Ludwigsburg, dem Stuttgarter Flughafen, immer weiter Richtung Süden. Ich lerne den Wagen immer besser einzuschätzen und traue mich, den Albaufstieg der A8 in Richtung Ulm noch mitzunehmen. Noch 30 kilometer Reichweite. in Dornstadt geht es dann runter von der Autobahn Auftanken, äh, laden.
Mit mir auf dem Parkplatz eines Supermarktes, Schuh-Outlets sowie Drogeriemarktes stehen noch zwei weitere Elektroautos an den insgesamt vier Ladesäulen. Darunter eine junge Familie aus den Niederlanden Vincent und Frieda van Vliet sind mit ihrer zweijährigen Tochter in einem WW ID.4 auf dem Weg in die Schweiz. „Wir müssen mit der kleinen sowieso Pausen machen", erklärt der 37 Jahre alte Unternehmer. „Das können wir dann gut mit dem Laden der Batterie verknüpfen." Wie ich im Laufe meiner Reise feststellen werde, sind die Niederländer stark an den Ladesäulen vertreten. Die Zahl der Elektroautos hat sich bei unseren europäischen Nachbarn innerhalb eines Jahres auch um 38 Prozent (76000) auf mehr als 273000 erhöht (2021). Dann der Schock, als ich auf die Anzeige meiner Ladesäule blicke: „Ladestrom 156,1 A, Ladespannung 410,7 V, Ladeleistung 64,1 kW". Bei letzterer Zahl hatte ich eigentlich mit einer glatten 100 gerechnet. Es kann sich also nur noch um Stunden handeln, bis ich hier wieder wegkomme. Am Ende dauert das Laden ziemlich genau eine Stunde, in der ich auch noch Kosmetik shoppe, die ich nicht brauche. Teurer Zeitvertreib.
Ohne Heizung mehr Strecke
Zurück auf der Autobahn beschleicht mich das Gefühl, dass der Wagen mehr Batterie zieht als zuvor. Kurz hinter Augsburg dann die Erkenntnis: Statt im Eco-Modus mit verringerter Leistung und ohne Heizung zu fahren, bin ich im standardmäßig eingestellten NormalModus durch Bayern gedüst. Bingo. Aber dann sehe ich ihn: einen Renault Zoe, ein anderes E-Auto. Ich fühle mich wie in den 80ern, als man im Italienurlaub einen Wagen mit dem Kennzeichen der Heimatstadt entdeckte. Ich möchte winken, blinken und hupen vor Freude. Während man Elektroautos in der Stadt immer häufiger sieht, sind sie auf der Autobahn noch eher selten.
Kurz nach 17 Uhr treffe ich in Bad Reichenhall ein - entspannt vom leisen Summen des Motors sowie von zwei jeweils einstündigen Zwangspausen in der Sonne. Dass es noch eine Steigerung von Lang gibt, erfahre ich am nächsten Tag, als ich den Corsa-E an einer von insgesamt nur drei Ladestationen in der oberbayrischen Alpenstadt abstelle. Vier Stunden wird es dauern, bis die Batterie wieder voll aufgeladen ist. In der Zeit gehe ich frühstücken und besuche den Ostermarkt im Kurpark. Am Ende lasse ich mir ein bisschen zu viel Zeit und zahle 1,20 Euro Blockiergebühr, weil ich zehn Minuten länger als die erlaubten 240 Minuten die Ladesäule blockiert habe.
So komme ich problemlos zurück nach Heilbronn - in Ladestationen-Etappen versteht sich Mein Fazit: Urlaub mit E-Auto ist machbar, aber dauert deutlich länger. Milva-Katharina Klöppel