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Interview mit Anna Altmann: „Das Alter wird als Chance wahrgenommen“

Familientherapeutin aus Bönnigheim über die Vorzüge der zweiten Lebenshälfte: Neuanfang, mehr Selbstvertrauen und neue Perspektiven mit Yoga, Reisen und neuen Karrieren

Anna Altmann arbeitet in Bönnigheim als Einzel-, Paar- und Familientherapeutin. Foto: privat

Die heutige Generation der über 50-Jährigen fühlt sich keineswegs alt. Im Gegenteil. Sie ist im Internet unterwegs, besucht Yogakurse, reist mit dem Camper in ferne Länder. „Anders als bei früheren Generationen erleben viele Mittfünfziger ihr Leben heute als sehr selbstbestimmt und aktiv“, hat auch Anna Altmann beobachtet. Im Interview erklärt die Einzel-, Paar- und Familientherapeutin aus Bönnigheim, warum sich viele Menschen in der zweiten Lebenshälfte neu aufstellen.

Unternehmen aus der Region

Frau Altmann, das allgemeine Wohlbefinden sinkt bei vielen Menschen offenbar ab Mitte 30 und durchschreitet mit Mitte 40 eine Talsohle. Danach nimmt die Zufriedenheit wieder stückweise zu. Woran liegt das?

Anna Altmann: Meiner Ansicht nach verlieren viele Menschen mit Mitte 30 einen Großteil ihrer Leichtigkeit. Job und Familie prägen den Alltag und vielfältige Belastungen wie beispielsweise Karrieredruck, Verantwortung als Eltern, Finanzierung des Eigenheims und so weiter nehmen zu. Die Lebensphase zwischen Mitte 30 und Mitte 40 wird daher auch gerne als „Rushhour des Lebens“ bezeichnet. Nach dieser Phase profitieren viele von ihrer gewonnenen Lebenserfahrung, der berufliche Erfolgsdruck lässt nach und die Kinder werden zunehmend flügge. Dies führt zu mehr Selbstbestimmtheit und Freiheit und schenkt ein ganzes Stück mehr Gelassenheit.

Viele Menschen blühen in der zweiten Lebenshälfte sogar erst so richtig auf. Manche fangen an, mit 50 zu studieren oder eine neue Firma zu gründen...

Altmann: Durch die beschriebene Umbruchphase ist eine Neufokussierung mit etwa Mitte 50 möglich. Viele wissen sehr viel genauer als beispielsweise mit Mitte 20, wo ihre Stärken liegen. Durch neu zurückgewonnene Energiekapazitäten ist es in dieser Lebensphase möglich, sich nochmals ganz neu aufzustellen und durchzustarten. Bislang nicht realisierte Vorhaben können so-nach Überwindung der sogenannten Midlife-Krise - in Angriff genommen werden.

Unterscheidet sich die heutige Generation 50plus damit von früheren in ihrem Denken und Handeln?

Altmann: Ich denke schon, dass diesbezüglich eine Unterscheidung feststellbar ist. Anders als bei früheren Generationen erleben viele Mittfünfziger ihr Leben heute als sehr selbstbestimmt und aktiv. Früher war das Altwerden oft mit Rückzug und Passivität verbunden. Zum Teil, aber mutmaßlich vielleicht auch mit einer größeren Zufriedenheit mit dem, was man erreicht hat. Heute beobachten wir in dieser Lebensphase oft eine Zunahme von Produktivität. Das Alter wird nicht als Nachteil, sondern vielmehr als Chance wahrgenommen. Man ist fokussierter, selbstsicherer und dadurch mutiger.

Stichwort „Midlife Crisis“: Wie kann eine Sinnkrise zum Wendepunkt im Leben werden?

Altmann: In meiner Arbeit als Einzel-, Paar- und Familientherapeutin nehme ich immer wieder wahr, wie Menschen gestärkt aus Krisen herausgehen. Krisen zwingen uns, uns aus unserer Komfortzone zu bewegen, eine andere Sichtweise einzunehmen und an der ein oder anderen Stelle unser Denken und unsere Vorgehensweise zu verändern. Dies schafft neue, bislang vielleicht unvorstellbare Möglichkeiten unseres Tuns. Wir wachsen sprichwörtlich über uns hinaus, entdecken neue Fertigkeiten an uns und das stärkt unser Selbstbild.

Von unserer Redakteurin Andrea Eisenmann