Kritik an Weindorf-Auslese: Hat die Stadt Heilbronn richtig gehandelt?
Heilbronn Noch immer sorgt die Eröffnungsveranstaltung der Weindorf-Auslese für Aufregung. Für die enge Sitzordnung in der Corona-Zeit gab es heftige Kritik. Nach der Rechtfertigung der Veranstalter bleibt die Frage, wie sinnvoll dieser öffentliche Auftakt war.
Von Kilian Krauth und Carsten Friese
Wegen Corona fällt das Heilbronner Weindorf dieses Jahr flach. Als Alternative haben Winzer, Wirte, Heilbronn Marketing GmbH (HMG) und Verkehrsverein die Weindorf-Auslese mit 140 Events an 30 Standorten organisiert. Bis heute sorgt die Eröffnungsveranstaltung vom Donnerstag für Aufregung. Wie berichtet waren dabei 112 Gäste zu einer Feier am neuen Heilbronner Parkhotel geladen.
Auf Facebook löste dies einen wahren Shitstorm aus, also viele kritische Kommentare. Hauptvorwurf: Die „Großkopferten“ feierten unter sich und würden die Corona-Regeln ignorieren. Die Stadt hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Alles sei korrekt gelaufen. Dennoch bleibt die Frage: War es richtig, so zu feiern? Die Meinungen gehen auch in der Stimme-Redaktion auseinander.
Pro
Von Kilian Krauth
Das ist gut und mutig: Die Macher des Heilbronner Weindorfs haben eine abgespeckte Weindorf-Auslese auf die Beine gestellt und dieses bislang einmalige Wein-Festival angemessen und verantwortungsvoll eröffnet: mit Gästen, die sich für die Stadtgesellschaft engagieren. In Heilbronn gehört dies zur Festkultur. Wo ist das Problem? Die Hygieneregeln wurden beachtet, bestätigen amtliche Ordnungshüter.
Flüchtige Beobachter rümpfen die Nase, im Internet geht es drunter und drüber. Doch die via Facebook multiplizierte Kritik an den "Großkopferten" schießt in Unkenntnis der Sachlage weit am Ziel vorbei, ist oft unverschämt. Einmal mehr wird deutlich: Wir leben in einer Zeit allgemeiner Verunsicherung, wer blickt angesichts der vielen Corona-Regeln noch durch? Doch vorschnelle Verurteilungen, Neid- und Sündenbock-Mentalität helfen nicht weiter.
Umso wichtiger ist es, nach Wegen zu suchen, die zurück zur Normalität führen, zu Lebensqualität, zu einem guten Miteinander. Dass dies derzeit zumindest punktuell möglich ist, zeigt die Premiere zur Weindorf-Auslese, an deren Durchführung und Intention sich mancher ein Beispiel nehmen sollte.
Contra
Von Carsten Friese
Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht: Der Auftakt der Weindorf-Auslese hat gezeigt, wie fragil die gesellschaftliche Stimmung in der Corona-Zeit ist. Gerade hat die Stadt bei steigenden Infizierten-Zahlen zum Einhalten der Corona-Grundregeln gemahnt. Auch das Land verweist stets auf die wichtige Abstandsregel. Und dann machen Bilder die Runde, auf denen geladene Gäste dicht an dicht beim Essen und Trinken stundenlang an Tischen im Freien sitzen.
Rein rechtlich stimmt es, dass bis zu 20 Menschen – auch in Biergärten – an Tischen sitzen dürfen. Aber: Dieses Szenario war nicht sehr klug. Die Corona-Regeln sind so komplex und widersprüchlich, dass sie kaum noch nachvollziehbar und schon gar nicht gerecht sind. Die Frage einer Mutter, was sie angesichts dieser Bilder ihren Kindern sagen soll, die im Pausenhof Masken tragen müssen und Abstandsregeln einhalten sollen, ist berechtigt. Regeln müssen den Bürgern auch einleuchten und als sinnvoll empfunden werden. Sonst bröckelt die Bereitschaft.
Es wäre kein Problem gewesen, die Stühle und Plätze mit etwas mehr Abstand an den Tischen einzurichten. Die Stadt hat Vorbildcharakter. Dem sollte sie auch gerecht werden.
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Kilian Krauth
Autor
Kilian Krauth kümmert sich um die Heilbronner Kommunalpolitik, um historische und kirchliche Themen sowie um den Weinbau der Region und weit darüber hinaus.

Carsten Friese
Autor
Mit der Einführung des Euro kam Carsten Friese im Januar 2002 zur Heilbronner Stimme. Seine Schwerpunkte sind Verkehr, Gericht- und Polizeithemen, Wetter/Klima, Umweltthemen, Soziales, Heilbronner Stadtteile. Zudem leitet er das Thementeam Wissen.