Heilbronn hat sein Aschenputtel-Image abgelegt
Heilbronn Wer vor 20 Jahren nach Heilbronn gekommen ist, suchte vergebens großstädtische Urbanität und Leichtigkeit. Beides hat Einzug gehalten. Ein Stadt-Portrait über den neuen Stolz der Heilbronner.
Von Bärbel Kistner
Die Innenstadt von Heilbronn ist überschaubar. Die größten Veränderungen hat es in den Randbereichen gegeben. Foto: Kuhnle
Wie anders eine Beschreibung von Heilbronn vor 20 Jahren ausgefallen wäre. In diesem Zeitraum ist enorm viel passiert. Heilbronn hat sein Image als Aschenputtel unter den baden-württembergischen Großstädten abgelegt und gilt mittlerweile als eine der dynamischsten Städte im Land.
Viele Bürger sind wieder stolz auf ihr Heilbronn. Mit der Bundesgartenschau ist dieser Bürgerstolz in die ehemalige freie Reichsstadt am Neckar zurückgekehrt. Die Buga erweist sich dabei als der wichtigste Motor der Stadtentwicklung.
Dass Heilbronn heute wegen seiner Architektur von sich reden macht und dass Planer und Architekten in die Stadt pilgern, darüber lässt sich immer noch staunen. Vor der Jahrtausendwende kennt man Heilbronn außerhalb der Landesgrenzen wegen der Staumeldungen auf der Autobahn. Kulturbeflissene haben vielleicht schon vom Heilbronner Käthchen gehört.
Erste Architekturpreis nach 30 Jahren
Ausgerechnet ein Parkhaus, das am Bollwerksturm, holt im Jahr 2000 zum ersten Mal den renommierten Hugo-Häring-Preis ins Oberzentrum. Die Auszeichnung wird seit 1969 vergeben. Heilbronn war stets leer ausgegangen. In den vergangenen 20 Jahren gibt es gleich mehrere Landespreisträger und sehr viele Nominierungen. Durch Neckarbogen, Experimenta und Bildungscampus arbeiten erstmals im größeren Stil renommierte Architekten in Heilbronn.
Zu den Faktoren, die die Stadt verändert haben, zählt die Entdeckung des Neckars als Lebensraum. Die begnadete geografische Lage des Heilbronner Beckens ist mit der Buga noch stärker ins Blickfeld gerückt. Auf dem Wall des Hafenparks offenbart sich das großartige Panorama: Wie in einer Arena erheben sich Weinberge und bewaldete Hänge rund um die Stadt.
Heilbronn hat sein Herz zurück

Das leichte und urbane Gesicht zeigt sich an der Neckarmeile. Foto: Archiv/Mugler
Die Insel mit dem Stadtteil Neckarbogen, begrenzt von Alt-Neckar und Kanal, ist der neue Mittelpunkt. Heilbronn hat sein Herz zurückbekommen und das Trauma der Zerstörung des 4. Dezember überwunden. Das Neue verdrängt keinesfalls die wenigen historischen Spuren in der Kernstadt. Das Gegenteil ist der Fall. Kilianskirche, Deutschordensmünster und Hafenmarktturm gewinnen durch den überraschenden Blickwinkel an Bedeutung - und an Schönheit.
Wer vor 20 Jahren nach Heilbronn gekommen ist, sucht vergebens großstädtische Urbanität und Leichtigkeit. Beides hat Einzug gehalten: mit dem großzügigen Neckaruferpark, aber auch mit der Neckarmeile und dem Kneipenleben. Das neue Lebensgefühl kann nur entstehen, weil der Verkehr verbannt wird. Niemand kann sich heute noch vorstellen, dass sich Autos durch die Untere Neckarstraße quälen oder dass anstelle des Uferwegs eine Bundesstraße den Zugang zum Neckar versperrte.
Studierende als Motor

Heilbronn wird kaum als Studentenstadt wahrgenommen. Foto: Archiv/Veigel
Studierende sind ein weiterer, wichtiger Motor, der die Stadt verändert und sie weltoffener macht. Mit dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung sind die Hochschüler in der Innenstadt angekommen. Aus wenigen Hundert Ingenieurschülern in den 60er Jahren sollen bald 10.000 Studierende werden. Die Krönung ist die Ernennung Heilbronns zur Universitätsstadt.
In der Wahrnehmung ist Heilbronn deshalb aber noch keine Studentenstadt, im Stadtbild fallen die Studierenden erst wenig auf. Dass Heilbronn eine Stadt der Arbeiter ist, liegt an den fast 100.000 Arbeitsplätzen, viele davon nach wie vor in der Metall- und Elektroindustrie, der chemischen Industrie und im Salzbergbau im alten Industriegebiet.
Der Zukunftspark Wohlgelegen als Technologie-Standort, angebunden an den Neckarbogen, soll die Transformation in die moderne Arbeitswelt beschleunigen.
Kontraste
Die Kernstadt ist geprägt von Kontrasten zwischen dichter Besiedlung im Norden und Süden und dem grünen, als Wohnviertel begehrten Osten mit einer eher geringen sozialen Durchmischung. Fast 60 Prozent der Kernstadt-Bewohner hat einen Migrationshintergrund. Bei den jungen Heilbronnern unter 20 sind es noch deutlich mehr - wie der Jugendgemeinderat zeigt. Im 40-köpfigen Gemeinderat sitzt dagegen noch kein Vertreter aus dem Kreis der Zuwanderer.
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