Nicole Hoffmeister-Kraut über die Auswirkungen der Corona-Krise
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) äußert sich zur Situation der Unternehmen im Südwesten in Zeiten der Corona-Krise. Sie kritisiert die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – und sieht viele Firmen im Land benachteiligt.
Die Corona-Krise wird zu langfristigen wirtschaftlichen Folgen führen. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Nicole Hoffmeister-Kraut: Aktuell sind wir in einer Situation, in der wir noch nicht absehen können, wann die jetzt ergriffenen Maßnahmen wieder gelockert werden können. Vor dem Hintergrund ist es schwierig, die konkreten Einbrüche in der Wirtschaft abzuschätzen. Wir haben von der LBBW eine Prognose mit dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Baden-Württemberg von rund sieben Prozent, das Ifo-Institut rechnet mit einer Schrumpfung der Wirtschaft im schlimmsten Fall um bis zu 21 Prozent. Wie lange der Shutdown andauert, kann derzeit noch niemand sagen. Betroffen sind fast alle Branchen − Gaststätten, Messebetreiber, Einzelhandel oder der Tourismus genauso wie der industrielle Bereich, weil Märkte und Lieferketten wegbrechen.

Sollte zur Planungssicherheit der Unternehmen ein Fahrplan − viele sprechen von einer Exit-Strategie − für die Zeit danach entwickelt werden?
Hoffmeister-Kraut: Wir brauchen eine Exit-Strategie. Wir können bloß im Moment noch keinen Zeitpunkt sagen, ab wann diese greifen wird. In China konnten sie nach zwei Monaten wieder langsam alles hochfahren − aber dort ist es noch offen, ob der Zustand dauerhaft anhält. Wir machen uns auch als Land Gedanken darüber, wie wir unsere Gesellschaft − und damit auch die Wirtschaft − nach der Krise wieder in den Normalzustand zurückführen.
Das Land zahlt für kleinere Betriebe Soforthilfen von bis zu 30?000 Euro pro Fall. Das dürfte wegen der tiefgreifenden Folgen nicht lange ausreichen. Muss hier nachgelegt werden?
Hoffmeister-Kraut: Die Beträge für die einzelnen Betriebe halten wir im Moment für ausreichend, um die Liquiditätskrise zu überwinden. Zudem hat der Bund ja über die KfW Fakten geschaffen. Bei höheren Krediten von bis zu zehn Millionen Euro im beschleunigten Verfahren fordere ich vom Bund aber Nachbesserungen. Betriebe können bislang nur Kredite in dieser Höhe bekommen, wenn es 2019 nicht zu einem Ertragsrückgang von mehr als zehn Prozent gekommen ist oder die drei wichtigsten Kunden 60 Prozent des Geschäfts ausmachen. Diese beiden Kriterien führen dazu, dass viele Firmen in Baden-Württemberg − gerade in der Automobilbranche und im Maschinenbau − keinen Kredit erhalten werden. Die vorgesehenen Kriterien sind so nicht akzeptabel. Das passt nicht zur Industriestruktur im Land und nimmt zu wenig Rücksicht darauf, dass bei uns die Krise in der Automobilindustrie früher angekommen ist als anderswo.
Was macht das Land für Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern?
Hoffmeister-Kraut: Darüber diskutieren wir gerade intensiv. Ich bin der Überzeugung, wir dürfen auch den Mittelstand mit über 50 Mitarbeitern nicht alleine lassen.
Der CDU-Sozialflügel fordert mehr Kurzarbeitergeld...
Hoffmeister-Kraut: Für viele geht es hier an die Existenz, daher sind Hilfen notwendig. Das darf aber nicht zu Lasten der Firmen gehen, die derzeit dringend Liquidität brauchen. Wir müssen auch immer an die Zeit nach der Krise denken − und wie wir die Wirtschaft wieder ankurbeln können. Hier werden wir viel Geld benötigen. Dann geht es auch darum, unsere Haushalte im Blick zu haben. Zudem müssen viele Maßnahmen von heute auch morgen wieder zurückgenommen werden.
Der Autozulieferer Bosch hat einen Corona-Schnelltest entwickelt. Wie schätzen Sie das ein?
Hoffmeister-Kraut: Wir haben hier eine extreme Nachfrage, weil die Testergebnisse bis jetzt viel zu langsam kommen. Wenn man mit dem Schnelltest von Bosch schon innerhalb von zwei Stunden ein Ergebnis hat, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dieser Schnelltest nicht nur in Deutschland, sondern auch auf den weltweiten Märkten behaupten kann. Ich gehe davon aus, dass es auf dem globalen Markt eine hohe Nachfrage geben wird.