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Essen (dpa)
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Steffi Löhr: Zwischen Strafraum und Suchthilfe

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Mit Extremsituationen kennt sich Steffi Löhr aus. Als Torhüterin des Fußball-Bundesligisten SG Essen-Schönebeck ist sie regelmäßig auf hohem Niveau gefordert. Doch wirklichen Druck verspürt Löhr erst im Berufsalltag.

Von Roland Leroi, dpa
Steffi Löhr steht Arzt-mobil in Essen.
Steffi Löhr steht Arzt-mobil in Essen.

In dem versorgt Löhr ständig im mobilen Arztwagen Drogenabhängige, Obdachlose, Straßenkids, Prostituierte und weitere Außenseiter der Gesellschaft. «Wenn das Ziel deiner Patienten das pure Überleben ist, lernst du zwangsläufig das Kämpfen», sagt die Arzthelferin.

Für Löhr ist es ein Job, den sie trotz aller Widrigkeiten als Traumberuf bezeichnet. «Ich wollte immer schon unbedingt da arbeiten, wo es am sinnvollsten ist», erzählt sie. Vor zwei Jahren bat die Torfrau ihren Verein um Mithilfe bei der Jobsuche. SGE-Manager Willi Wißing stellte schließlich den Kontakt zur Gesellschaft für Soziale Hilfsleistungen Essen (GSE) her. «Seitdem ist Steffi unsere soziale Botschafterin», meint Wißing. Löhr wird verlegen, wenn sie so etwas hört, denn für ihr Engagement erwartet sie keine Anerkennung: «Ich bin eben so eingestellt.» Zumeist Hartz-IV-Empfänger gehören zu ihren Patienten im mobilen Arztwagen, den sie gemeinsam mit dem Internisten Bernbart Fuhrmann zu regelmäßigen Zeiten vor der Suchthilfe oder der Bahnhofsmission in Essen parkt.

Erkältungen, Prellungen manchmal auch Abszesse werden direkt versorgt. Doch immer interessiert sich Löhr auch für die Geschichte ihrer Patienten. «Ich will die Hintergründe wissen.» Oft drehen sich die Geschichten um Gewalt im Elternhaus und Jugendliche, die von einem Heim zum nächsten geschickt werden, ehe sie auf der Straße oder gar an der Nadel landen. Zuhören nimmt einen großen Teil ihrer Beschäftigung ein, die Illusion, jemanden retten zu können, hat sie nicht.

«Manche schaffen es, das ist aber ein weiter Weg», sagt Löhr, in deren Patientenkreis Todesfälle keine Ausnahme sind. «Du darfst nicht alles an dich ranlassen», meint sie. In letzter Zeit komme es immer häufiger vor, dass Obdachlose von Unbekannten mit Baseballschläger verprügelt werden und ihre Erstversorgung im Arztmobil suchen.

Abschalten kann sie beim Fußball. Ruhiger und abgeklärter sei sie durch den Beruf geworden. Mit dem Druck, Spiele unbedingt gewinnen zu müssen, versucht sie locker umzugehen. «Natürlich will ich immer erfolgreich sein, aber es gibt so viele Kleinigkeiten, über die es sich nicht aufzuregen lohnt», sagt Löhr. Dafür ist ihr Rat bei Zwistigkeiten umso gefragter. «Zicken-Alarm gibt es doch in jedem Frauenteam», bestätigt sie ein Klischee und schlichtet, wenn sich Mitspielerinnen zanken.

Einige ihrer Patienten, für die Löhr in der Schublade des Arztmobils Freikarten liegen hat, sind schon Stammgäste bei den Heimmatches des Bundesliga-Fünften. «Eine Gruppe vom Männerwohnheim und dem Sozialzentrum kommt immer», erzählt die Torhüterin, die somit ihren eigenen Fanclub hat. Der Verein sponsert die Freikarten. «Die Leute besitzen ja nicht so viel Geld und haben somit wenigstens eine sinnvolle Beschäftigung», meint Löhr. In einer «normalen» Arztpraxis möchte sie nicht mehr arbeiten: «Ich kann mir aber vorstellen, in den Knast zugehen, diese Geschichten interessieren mich ebenfalls.»

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