Die Gründe für den Hoffenheimer Aufschwung
Es läuft bei der TSG Hoffenheim sportlich, auch im Wortsinn. Was hinter der Erfolgsserie steckt, die mit dem 3:1 gegen RB Leipzig ihre Fortsetzung findet.

Vielleicht hatten die Hoffenheimer Profis die Musik in der Kabine (unter anderem „Viva Colonia“) extra laut aufgedreht, um die vielen Nebengeräusche bei der TSG 1899 zu übertönen. Nach dem 3:1 gegen RB Leipzig wummerten die Bässe aus der Kabine noch ein bisschen lauter durch den Stadionbauch als in der Vergangenheit. Mit dem vierten Liga-Sieg in Serie mausert sich der Kraichgauclub zum Überraschungsteam der Saison. Woran liegt der TSG-Erfolgslauf?
Die Unruhe im Verein blendet das Team aus: Überall in der Sinsheimer Arena wurden vor Spielbeginn Zettel verteilt, auf denen Spielerberater und Hopp-Intimus Roger Wittmann als Enkeltrickbetrüger zur Fahndung ausgeschrieben waren. Der 85-jährige Milliardär und Hoffenheimer Macher, Dietmar Hopp, saß dick eingemummelt auf der Tribüne, nahm die lautstarken Fanproteste gegen den Wittmann-Einfluss regungslos zur Kenntnis.„Wir sind ein Schiff auf hoher See, das Richtung aufgenommen hat. Wenn das Schiff die Reederei wechselt, wird sich unser Job nicht ändern“, sagte Trainer Christian Ilzer übers Aus von zwei Geschäftsführern. Sportchef Andreas Schicker wollte sich zu seiner Zukunft nicht äußern.
Beeindruckende Zahlen: „Anfang der Saison haben viele geglaubt, wir sind Abstiegskandidat Nummer eins“, schickte Christian Ilzer Grüße an Experten wie Lothar Matthäus. Jetzt stehen 19 Punkte aus zehn Spielen in der Tabelle, im Vorjahr hatten die Kraichgauer nach 21 (!) Ligaspielen erst 18 Zähler gesammelt.
0:1-Rückstand ist dem Team egal
Comeback-Fähigkeiten: Es ist ein Muster unter Christian Ilzer: Frühe Rückstände ziehen sich seit einem Jahr durchs Hoffenheimer Spiel. Doch so ein früher Rückstand wie am Samstag durch das 0:1 von Yan Diomande (9. Minute) ist mit aggressivem Spiel gegen den Ball, Toren nach Standards wie beim 1:1 (20./Albian Hajdari) schnell wettgemacht. Beeindruckende zehn Punkte hat die TSG bereits nach einem Rückstand geholt.
Laufstärke: Fast elf Kilometer mehr als die Gäste (128,3:117,4 Kilometer) legten die Hoffenheimer auf dem Spielfeld zurück. „Es ist sicher ein Ziel von uns, dass wir ganz oben stehen in Sachen Laufleistung“, sagte Albian Hajdari: „Die letzten Meter nach vorne und hinten lohnen sich zu 99 Prozent.“ Kein Ligakonkurrent macht so viele Meter. Trainer Christian Ilzer sieht die Laufstärke und Bereitschaft als Charaktereigenschaft. „Da sind auch viele Reparaturläufe dabei. Aber es ist ein Zeichen, dass die Mannschaft unglaublich bereit ist, viel zu investieren. Das hat die Mannschaft im Tank.“
Effizienz vor dem gegnerischen Tor: Sowohl gegen Wolfsburg (3:2) und nun auch Leipzig hätte Hoffenheim den Torchancen nach nicht als Sieger vom Platz gehen müssen. Der xG-Wert, der die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der aus einem Torschuss ein Tor wird, bestätigt dies. Demnach hätte das Spiel gegen RB unentschieden (xG-Wert 1,82:1,81) enden dürfen.„Wir sind brutal effizient vor dem Tor. Wir haben nicht viele Chancen, aber die nutzen wir“, sagte Albian Hajdari. TSG-Trainer Ilzer sprach von hart erarbeitetem Glück. „In einem ausgeglichenen Spiel entscheidet häufig, welche Mannschaft die Phasen nutzt, in denen sie überlegen ist. Das war heute Hoffenheim“, sagte Leipzigs Trainer Ole Werner.
Wenn nicht nur die Stürmer Tore erzielen
Tore nicht nur vor Stürmern: In der Vergangenheit war das TSG-Spiel arg abhängig von Stürmertoren. Das ist nun anders. „Jede Linie hat ein Tor erzielt“, betonte Christian Ilzer, weil Verteidiger Hajdari, Stürmer Tim Lemperle (per Kopf zum 2:1/38.) und Mittelfeldmann Grischa Prömel trafen.Der nach langer Verletzungspause wiedererstarkte Grischa Prömel erzielte am Samstag im dritten Spiel nacheinander ein Tor, dieses Mal das 3:1 (80.). „Solche Tore aus dem Mittelfeld heraus werden, durch läuferische Leistung heraus kreiert“, lobte Christian Ilzer Prömel und Wouter Burger.
Gute Gruppenbildung: Die Sommer-Neuzugänge wie die neue Kosovo-Achse (Hajdari/Avdullahu/Asllani), aber auch Vladimir Coufal sind voll eingeschlagen. „Wir haben eine gute Mischung mit jungen und alten Spielern, mit guter Mentalität“, sagt der Brasilianer Bernardo – noch so ein Glücksgriff. „Es freut mich, wenn ich höre, dass die Jungs sich auch an einem freien Tag treffen. Das zeigt mir, dass sie nicht nur auf dem Platz gern zusammen sind“, betont Trainer Christian Ilzer die Gruppendynamik.

Stimme.de