Stimme+
Interview
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

"Keine ist besser als Stefanie Graf"

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Am 6. Juni vor 30 Jahren siegt Steffi Graf bei den French Open. Hans-Jürgen Pohmann hat die Tennisspielerin von Anfang an begleitet. Im Interview spricht Pohmann über Grafs ersten Grand-Slam-Sieg und ihre unglaubliche Karriere.

Von Lars Müller-Appenzeller
Hans-Jürgen Pohmann ist war bis Ende Januar 2016 Pressesprecher des Deutschen Tennis Bunds.
Hans-Jürgen Pohmann ist war bis Ende Januar 2016 Pressesprecher des Deutschen Tennis Bunds.  Foto: Foto: dpa

Am 6. Juni 1987 hat eine 17-Jährige die French Open gewonnen: 6:4, 4:6, 8:6 gegen die große US-Amerikanerin Martina Navratilova: Steffi Graf ist ganz oben angekommen. Ihrem ersten Grand-Slam-Erfolg folgen 21 weitere. Sie steht 377 Wochen an der Spitze der Weltrangliste. Das ist Rekord. Hans-Jürgen Pohmann ist das begnadete Mädchen aus Brühl das erste Mal mit elf Jahren aufgefallen. Er hat mit der heute in Las Vegas lebenden Legende Tennis gespielt, sie beraten, als Journalist begleitet. Er sagt über die heute 47-Jährige, die mit André Agassi verheiratet ist: "Sie hatte einen unvorstellbaren Willen."

 

Herr Pohmann, wie ist Ihre Erinnerung an den 6. Juni 1987, das Finale von Paris, das Sie im Fernsehen kommentiert haben?

6. Juni 1987: Als 17-Jährige reckt Steffi Graf bei den French Open den Pokal in die Höhe. Der erste Gland-Slam-Titel für die junge Frau aus Brühl.Foto: Archiv/dpa
6. Juni 1987: Als 17-Jährige reckt Steffi Graf bei den French Open den Pokal in die Höhe. Der erste Gland-Slam-Titel für die junge Frau aus Brühl.Foto: Archiv/dpa

Hans-Jürgen Pohmann: Nach wie vor faszinierend, es war ein fantastisches Spiel. Ein junges Mädchen hatte sich kontinuierlich nach oben gespielt - mit diesem Sieg war sie ganz oben angekommen. Ich kann mich noch genau an die Emotionen in der Öffentlichkeit erinnern: Graf schlägt die große Martina Navratilova. Und das bei den French Open. Gut, Navratilova war nicht gerade eine Sandplatzspezialistin. Aber das war egal. Das war fantastisch.

 

Wie ordnen Sie Grafs ersten von letztlich 22 Grand-Slam-Erfolgen ein?

Pohmann: Zumindest mit Blick auf die folgenden zwei, drei Jahre war es der wichtigste. Weil die Familie so sehr darauf hingearbeitet hatte und jetzt recht bekam.

 

Und am Ende des Jahres war Steffi Graf mit 75 Siegen und nur zwei Niederlagen die Nummer eins.

Pohmann: Sie war besessen davon, immer ihr bestes Tennis spielen zu wollen. Sie hatte die einzigartige Fähigkeit, sich auf jeden einzelnen Ball zu konzentrieren. In jedem Training zeigte sie hundertprozentigen Einsatz. Im Spiel gab es bei ihr keine Juxerei. Sie war von sich aus sehr zielbewusst - was für eine Einstellung das Mädchen hatte! Viele nannten das Verbissenheit, aber es war ihre einzigartige Einstellung.

 

Man reduziert Steffi Graf gerne auf ihre Vorhand.

Pohmann: Ja, das war der große Treibschlag, der Gewinnerschlag, der beste Schlag im Frauentennis. Aber das Beste war erst einmal ihre Beinarbeit. Das Zweitbeste ihre Einstellung. Das Drittbeste ihre Fitness. Dann ihre Rückhand, die alle als Verliererschlag eingestuft hatten, der Slice, den sie einhändig spielte. Wenn sie ihn offensiv spielte, den Schlägerkopf von oben nach unten zog, war das der beste Schlag überhaupt, weil der Ball tief unten blieb. Wenn sie allerdings Angst hatte und in Rücklage spielte, segelte der Ball lediglich über das Netz - dann hatten Navratilova und die anderen leichtes Spiel.

 

Hat es Steffi Graf in der Wahrnehmung ihrer Erfolge geholfen, dass Boris Becker da schon Wimbledon-Sieger war?

Pohmann: Das war nicht so gut für sie. Weil sie immer hinterhergelaufen ist. Es hieß immer: Wie Becker... Das hat ihr nicht geholfen.

 

Wann haben Sie das erste Mal Steffi Graf wahrgenommen?

Pohmann: Als sie elf Jahre und drei Monate alt war. Auf Fuerteventura, im Hotel Tres Islas. Da spielte sie mit ihrem Vater, der mich kannte - ich war mit meiner Familie dort, damals war ich Landestrainer in Berlin und habe ihr zugeschaut. Dann kam ihr Vater und fragte, ob ich nicht mal mit ihr spielen würde. Gut. Nach einer Viertelstunde sagte ich: Das habe ich noch nicht erlebt.

 

Weil?

Pohmann: Wir Flugball gespielt hatten, den sie wohl bis zu diesem Zeitpunkt wenig geübt hatte. Ich sagte, dass sie das Handgelenk dabei anwinkeln müsse. Nach zwei, drei Minuten hatte das Mädchen solche Schmerzen, weil sie das nicht kannte, und trotzdem weitergespielt. Ich merkte das und fragte: Kannst du noch? Ja klar, war die Antwort. Das kam von ihr ganz alleine - nicht vom Vater. Sie hatte einen unvorstellbaren Willen.

 

27. April 2017: Steffi Graf und ihr Mann André Agassi, bei den Power of Love Gala in Las Vegas. Dort wohnen die ehemaligen Profis mit ihren zwei Kindern. Foto: dpa
27. April 2017: Steffi Graf und ihr Mann André Agassi, bei den Power of Love Gala in Las Vegas. Dort wohnen die ehemaligen Profis mit ihren zwei Kindern. Foto: dpa

Wie haben Sie sie weiterbegleitet?

Pohmann: Wir blieben in Kontakt, sie kam ein paar Mal nach Berlin, nahm am Verbandstraining teil. Ich habe versucht, etwas zu beraten. Es hat sich dann entwickelt.

 

War es schwierig für Sie, später beim Kommentieren im Fernsehen das Private vom Beruflichen zu trennen?

Pohmann: Bei ihrem ersten Grand-Slam-Sieg war ich schon Co-Kommentator beim ZDF. So etwas ist natürlich schwierig, logisch. Wir haben uns ständig unterhalten. Ich habe sie nicht fertig gemacht, aber schon kritisiert. Das muss ich ja machen, weil ich sonst nach Hause gehen kann. Ich sprach an, dass sie auch mal dem Ball hinterhergehen muss, wenn der Ball halbhoch kommt. Und es gab keine Insidergeschichten von ihr.

 

Wie war der Umgang mit ihrem dominanten Vater?

Pohmann: Er spielte nicht besonders gut Tennis, hatte aber einen unglaublichen Instinkt: Wann lasse ich sie spielen, wann nicht? Es hatte sich auch ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zwischen uns entwickelt.

 

Also kann man sagen, dass Sie neben dem damaligen Bundestrainer Klaus Hofsäss Steffi Grafs Berater waren und immer noch ein guter Freund sind?

Pohmann: Ja, wir sind immer noch sehr, sehr eng.

 

War der Steuerskandal ihre schwerste Zeit?

Pohmann: Absolut. Sie war unheimlich niedergeschlagen. Klaus Hofsäss und ich haben versucht, ihr jeden Tag zu helfen. Als ihr Vater im Gefängnis saß, war das die schwierigste Situation in ihrem Leben.

 

Deutschland hat mit Angelique Kerber gerade wieder eine Nummer eins: Was ist im Frauen-Tennis heute noch wie vor 30 Jahren?

Pohmann: Alle sind sie körperlich sehr fit - das waren Stefanie Graf und Martina Navratilova damals auch. Heute ist die Spitze körperlich ausgeglichener. Aber keine ist besser als damals Stefanie Graf und Martina Navratilova.

 

 
Zur Person

Hans-Jürgen Pohmann war Tennisprofi, stand 1973 auf Platz 30 der Weltrangliste, ehe der gebürtige Kölner wegen einer Bandscheiben-OP mit dem Leistungssport aufhören musste. Der Industriekaufmann machte eine Trainerausbildung, war unter anderem Landestrainer in Berlin und wurde beim ZDF "der erste Co-Kommentator im deutschen Fernsehen", wie der 70-Jährige sagt. Beim Sender Freies Berlin wurde Pohmann Hörfunk- und Fernsehreporter, war später Sportchef beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Bis Ende Januar war er 16 Monate lang Pressesprecher des Deutschen Tennisbunds (DTB) und letzt beim Fed-Cup in Stuttgart Stadionsprecher.  

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben