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Motocross-Profi mit 14: Frankenbach-Sieger Ken Roczen träumt von der WM

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Motocross - Kenny, so rufen ihn seine Mama und die meisten, die den Gesamtsieger des Frankenbacher Winter-Motocross kennen, ist ein Leichtgewicht. „Ich wiege 56, vielleicht auch 57 Kilo“, sagt der Junge mit der Zahnspange. Ja, Ken Roczen ist ein Junge. Irgendwie. Und doch hat er das Jungen-Sein im Sauseschritt hinter sich gelassen, das Teenagerleben scheinbar nur gestreift, weil ihm sein Traum nicht ausreichend Raum für Jugendtage lässt. Der 14-jährige Profi reist viel und weit - um schnellstmöglich seinen Platz in der Welt der Männer zu finden.

Von Stefanie Wahl

Motocross - Es gibt Pfannkuchen mit Apfelmus. Dank der Teigmischung ist das Mittagessen ruckzuck fertig. Das ist wichtig, die Zeit ist knapp. „Mama, ich habe Hunger“, sagt Ken Roczen und rutscht auf dem blauen Sofa umher. Kenny, so rufen ihn seine Mama und die meisten, die den Gesamtsieger des Frankenbacher Winter-Motocross kennen, ist ein Leichtgewicht. „Ich wiege 56, vielleicht auch 57 Kilo“, sagt der Junge mit der Zahnspange. Ja, Ken Roczen ist ein Junge. Irgendwie. Und doch hat er das Jungen-Sein im Sauseschritt hinter sich gelassen, das Teenagerleben scheinbar nur gestreift, weil ihm sein Traum nicht ausreichend Raum für Jugendtage lässt. Ken Roczen reist viel und weit - um schnellstmöglich seinen Platz in der Welt der Männer zu finden.


Eine Gratwanderung. Im doppelten Sinne. Ken Roczen wird am 24. April 15. Er fiebert dem Geburtstag entgegen. Nicht wegen der Geschenke. Die schönste Gabe wird für den Motocrosser aus Mattstedt sein, dass er dann in der MX 2 starten darf. Die Rennen der WM-Serie in Italien, Bulgarien und der Türkei muss Ken Roczen noch auslassen, doch in den Niederlanden Ende April darf er fahren. Endlich. Er, das Talent aus Thüringen. Er, der jüngste deutsche Meister aller Zeiten. Er, der Juniorenweltmeister und Gewinner des Youngster Cup. „Die WM ist halt die WM, nochmal eine neue Herausforderung“, sagt Ken Roczen. Die Art, wie er das sagt, klingt lässig. Locker. Leicht.

Stress

Wie Worte doch in die Irre führen. Der Alltag des Ken Roczen ist nicht leicht. Montags geht er in die Schule. Neunte Klasse. Danach ins Fitnesstraining. In der Nacht fährt die Familie die 600 Kilometer nach Lommel. In Belgien trainiert Roczen dienstags und mittwochs. Auf seiner Suzuki, einer 250er Werksmaschine. Im November wurde er Profi. Mit 14. Er wollte es. Unbedingt. In der Nacht zum Donnerstag geht es die 600 Kilometer zurück nach Mattstedt. „Wir nutzen die Zeit“, sagt Steffi Roczen, „und Kenny schläft.“ Ehe er wieder für zwei Tage Schüler ist. Lange geht das nicht mehr so. Die doppelte Belastung zehrt. Zwar gilt für Roczen manche Sonderregelung, aber nicht mehr.

Ken Roczen
Ken Roczen
Absprung

„Es gibt keine Sportschulen in unserem Bereich, und zweigleisig fahren funktioniert nicht. Eigentlich war die zehnte Klasse angepeilt, aber mit den Voraussetzungen, die Suzuki geschaffen hat, müssen wir das nutzen“, sagt Mama Steffi. Sie steht hinter dem Absprung. Trotz des Risikos. Ihr Leben hat sie ohnehin seit Jahren auf das ihres Sohnes ausgerichtet. Auch Kenny reicht der Hauptschulabschluss. Nicht ohne Stolz sagt er: „Obwohl ich oft fehle, habe ich einen Schnitt von 2,3.“ Drei Jahre hat Roczens Vertrag mit dem Team Teka Suzuki Europe World MX2 Gültigkeit. Dann wird er 18 sein. Höchste Zeit für Kennys Wunderland. Amerika. Dorthin zieht es ihn. So oft es geht. „Da ist die Konkurrenz viel größer, die Strecken auch - gigantisch. Ich möchte einfach nur drüben sein“, sagt Roczen und strahlt.

Magische Momente für einen, auf den sie in Deutschland lange gewartet haben. Wegen ihm kommen viele Fans an die Strecke. Auch nach Frankenbach. Der coole Typ mit den blonden Haaren zieht. Nicht nur, weil er schon in der Bravo Sport abgebildet war. Stört es, dass er überall der Jüngste ist? „Da denke ich nicht dran. Ich habe mich schon immer an den Älteren orientiert. Komischerweise gibt es viele, die sich an mich hängen, obwohl sie zwei, drei Jähre älter sind“, sagt Ken Roczen. Das irritiert einen wie ihn, den es stetig weiter drängt: „Nächstes Jahr will ich Weltmeister werden“, sagt er. Seine großen Augen blitzen wie die extrabreite silberne Kette um seinen Hals.

Vor der Türe des Wohnmobils steht Papa. Heiko Klepka, zu DDR-Zeiten ein bekannter Motocross-Fahrer. Er tratscht mit einem Bekannten und streichelt Blacky, die Dogge. Gen-Technik oder besondere Vererbungslehre. In der Motocross-Szene ist das ein viel beobachtetes Phänomen. „Er ist auf der Rennstrecke groß geworden“, sagt Steffi Roczen. Kennys zehn Jahre ältere Schwester Michele ist Quad gefahren. Mit zweieinhalb sitzt der Bub erstmals auf einer Maschine. Zuerst hat Daddy den Part des Schraubers übernommen, dafür ist nun Marc Verpaelen zuständig. Seit Herbst hat Ken Roczen einen Trainingsplan. Erstellt von einem Experten des Diagnostikcenters seines Sponsors. Mit Radfahren, Rudern, Joggen, Kraft- und Konzentrationsübungen. Neuland für den Aufstrebenden und eine Umstellung für den Körper. „Man sieht den Muskelaufbau“, sagt die Mama und verweist, dass alle Orthesen nachgearbeitet werden müssen. Bisher ist Roczen einzig seinem Instinkt gefolgt. Rauf auf die Maschine, rein ins Vergnügen. Fahren, fahren, fahren. Action und Spaß erleben, Freiheit ausleben. Jetzt hat Ken Roczen einen Beruf. Aber keinen Plan B. „Stürze habe ich nicht im Kopf“, sagt er, „je mehr du das mit dir trägst, umso eher passiert es.“  Kommentare öffnen
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