LBBW erwartet keine Abwanderungswelle
Umfrage der Landesbank zeigt, dass der Großteil der Mittelständler in Deutschland bleiben will, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Politik müsse rasch handeln, fordern die Experten.

Wirtschaftsverbände warnen seit Monaten vor einer schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands. Immer mehr Unternehmen würden sich mit Verlagerungs- oder gar Abwanderungsgedanken tragen, wenn die Politik nicht rasch für bessere Rahmenbedingungen sorge, heißt es etwa vom DIHK oder vom BDI. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat jetzt ihren aktuellen Mittelstandsradar vorgelegt und kann Entwarnung geben. Bei der Befragung von 248 mittelständischen Unternehmen zwischen Mitte Juli und Anfang August kam heraus, dass Deutschland vorerst keine Abwanderungswelle ins Haus steht.
Die Mehrheit hegt keine Abwanderungsgedanken
In der LBBW-Umfrage gaben 67 Prozent der Mittelständler an, in den nächsten zehn Jahren keine Verlagerung ihrer betrieblichen Aktivitäten ins Ausland zu planen. Und sieben Prozent erklärten, bestehende Fertigungskapazitäten aus entfernten Schwellenländern in benachbarte beziehungsweise näher liegende Länder verlagern zu wollen. Dieser Trend ist der LBBW zufolge weltweit zu beobachten. "Die Diversifizierung der Beschaffungs- und Wertschöpfungskettenländer verlangsamt sich", sagt Andreas da Graca, Autor des Mittelstandsradars.
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen
"Das Gros der deutschen Industrie verlässt das Land bis dato nicht", sagt der LBBW-Experte. Und viele Unternehmen, die Pläne für eine Abwanderung schmiedeten, würden demnach gerne bleiben - "wenn die Rahmenbedingungen stimmen", wie da Graca betont.
Was die Unternehmen und Wirtschaftsverbände von der Politik fordern, ist hinreichend bekannt: stärkere Deregulierung, mehr Bürokratieabbau, Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der digitalen Infrastruktur, und verbesserte Bildungsmöglichkeiten, um dem dramatischen Fachkräftemangel zu begegnen. "Wenn die Politik hier nicht schnell reagiert und die Wettbewerbsbedingungen beziehungsweise die Rahmenbedingungen verbessert, könnten sich tatsächlich noch mehr deutsche Unternehmen nach neuen Standorten im Ausland umsehen", warnt da Graca.
Deutscher Mittelstand ist krisenerprobt
Der Experte ist grundsätzlich der Ansicht, dass der deutsche Mittelstand die aktuellen Krisen meistern wird. Bereits während der Corona-Pandemie hätten besonders die kleinen und mittleren Unternehmen eine hohe Anpassungsfähigkeit bewiesen, sagt da Graca. Dies sei aber nur möglich gewesen, weil die Politik mit Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld oder der vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht unterstützend eingegriffen habe. "Wie der deutsche Mittelstand und die deutsche Wirtschaft als Ganzes durch die aktuelle Krise kommen, wird viel von zukünftigen politischen Entscheidungen abhängen", ist er überzeugt.