Corona-Hilfen für die Autoindustrie: Der Zuschuss könnte an die Falschen gehen
Autozulieferer benötigen Hilfe, darüber sind sich Bundesregierung und Industrie einig. Doch das Paket von Wirtschaftsminister Altmaier hat Schwächen.

Die Autonation blickt voller Sorge auf ihre wichtigste Industrie. Die Sorge gilt nicht so sehr den großen Drei - Daimler, BMW und VW - sondern ihren Zulieferern. Während es die Konzerne mit Einsparungen schaffen werden, ist für Kleinere die Doppelbelastung aus Corona-Krise und schrittweisem Abschied vom Verbrenner eine echte Gefahr. Und für die Mitarbeiter in den Fabrikhallen. Heute kommt die Kanzlerin deshalb erneut per Schalte mit Vertretern der Autoindustrie, der IG Metall und den Ministerpräsidenten der Bundesländer mit starker Autoindustrie zusammen.
Milliarden verplant
Neue Hilfen für die Hersteller und Zulieferer sind im Gespräch. Der Blick auf ein in den Startlöchern stehendes Programm der Bundesregierung zeigt aber, dass beim Zuschnitt Fehler drohen. Zwei Milliarden Euro sind fest vorgesehen und werden dem Plan nach zwischen 2021 und 2024 aus der Staatskasse fließen - 500 Millionen Euro pro Jahr.
Mit dem Geld sollen die Unternehmen neue Produkte für Elektro-Autos entwickeln, die Maschinen modernisieren und lernen, wie sie Daten richtig nutzen können. Der Abschied vom Verbrenner soll erleichtert werden. Ab Januar will Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Anträge bearbeiten lassen.
Autohersteller sind nicht von den Hilfen ausgeschlossen
Das Programm hat es unter der Überschrift "Milliardenhilfe für Autozulieferer" in die Presse geschafft, doch tatsächlich könnten vor allem die Großen davon profitieren. Denn neben Klein- und Mittelständlern können auch Konzerne die Zuschüsse beantragen. Das hat eine parlamentarische Anfrage der Grünen an das Wirtschaftsministerium ergeben. "Eine grundsätzliche Unterscheidung bei den Förderbedarfen entlang der Wertschöpfungskette ist nicht vorgesehen", heißt es in der Antwort aus dem Haus Altmaiers.
Für die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum aus der Autostadt Bamberg ist das eine erhebliche Schwachstelle. "Für die Großen sind die zwei Milliarden Euro einfach Peanuts, die verpuffen", sagte sie unserer Redaktion. "Dieses Bonusprogramm darf daher nicht verwässert werden und muss in vollem Umfang den kleinen und mittelständischen Unternehmen der Zuliefererbranche zu Gute kommen", verlangte Badum.
Strukturwandel bringt Verunsicherung
Die Wirtschaft in ihrem Wahlkreis ist stark von der Autoindustrie geprägt. Brose, Bosch und Schaeffler betreiben große Werke in und um Bamberg. Daneben gibt es aber noch drei Dutzend kleinere Firmen, die direkt oder indirekt an der Autoindustrie hängen. 40 000 Arbeitsplätze sind es in Oberfranken insgesamt. Nach Jahren des Aufschwungs haben die Chefs Sparrunden verordnet, Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze. Die Autostadt ist verunsichert.
Markus Zirkel ist Betriebsrat bei Schaeffler in Hirschaid, 15 Kilometer südlich von Bamberg gelegen. Über 1400 Kollegen bauen in dem Werk Ventilsteuerungen für Verbrennermotoren. Weil E-Autos immer mehr Marktanteile gewinnen, werden 100 Stellen abgebaut. Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten.
Zirkel hält das Förderprogramm für richtig, weil er eine Hoffnung hat. Sie heißt Wasserstoff. Wenn der Einsatz des sauberen Gases als Brennstoff auf Serienreife gebracht wird, braucht es weiter Ventiltechnik aus Hirschaid, zum Beispiel in Lkw und Bussen. Derzeit ist Wasserstoff aber noch viel zu teuer, es braucht Forschung und Pilotprojekte, um die Kosten nach unten zu bringen. Geld dafür könnte aus dem Zuliefererprogramm kommen, aber das hat für den Betriebsrat einen zweiten, entscheidenden Nachteil. "Es geht sehr einseitig in Richtung Elektromobilität, das Ganze ist nicht offen ist für Alternativen."
Kommentar: Nicht zu viele Bausteine
Von Christian Gleichauf
Seitdem es zur Umwelt- auch noch die Innovationsprämie gibt, läuft es mit den E-Autos. 9000 Euro für den Neuwagenkäufer - da kommen die Hersteller gar nicht mehr hinterher, so viel wird bestellt. Das ist erfreulich. Doch großen Teilen der Autoindustrie hilft das wenig. Zahlreiche mittelständische Zulieferbetriebe sind auf den Verbrennerantrieb ausgerichtet. Diese Unternehmen brauchen nun ebenso Unterstützung in der Corona-Krise wie die Autohersteller, die ihre Produktion mit den Milliarden aus Berlin zügig umstellen können.
So sind die Blicke heute auf den nächsten Auto-Gipfel gerichtet. Ob von dort aber wirklich die richtigen Impulse kommen?. Zu Recht wurde im Frühsommer zwar die Verbrenner-Prämie abgelehnt. Denn es galt, nicht nur eine vorübergehende Absatzkrise zu überbrücken, es sollten eben auch Anreize für die Transformation Richtung E-Antrieb geboten werden. Klar war damals schon, dass solche Unterstützung an einem Großteil der hilfsbedürftigen Betriebe vorbeigeht.
Was jetzt? Beratungsangebote und Unterstützung bei der Digitalisierung sind wichtig, doch sie sichern nicht das Überleben einer Firma, deren Geschäftsmodell wegbricht. Eine Abwrackprämie für Nutzfahrzeuge, wie sie ebenfalls im Gespräch ist, könnte ein Baustein sein, der aber um weitere ergänzt werden müsste. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, Geld direkt an Zulieferer in Not zu überweisen - und nur an sie. Die Runde im Kanzleramt muss heute nachbessern und die Zielgruppe solcher Hilfen klar abstecken. Wofür das Geld dann genutzt wird, sollte der Markt regeln.