Reaktionen zur G9-Diskussion in Baden-Württemberg: Fokus auf frühe Bildung legen
In Baden-Württemberg wird über eine mögliche Rückkehr zum neunjährigen allgemeinbildenden Gymnasium diskutiert. Das sind die Reaktionen aus der Region.

Baden-Württemberg will ein neues Modell für ein neunjähriges Gymnasium erarbeiten. Für Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kommt der Schritt nicht überraschend. "Der Mainstream geht zurück zu G9", sagt der GEW-Sprecher im Kreis Heilbronn. Dass die Landesregierung so schnell auf die Empfehlungen des Bürgerforums reagiert, wundert Harald Schröder nicht: Die Empfehlungen der Bürger sind seiner Ansicht nach zu erwarten gewesen. Ein Vorschlag für das G9-Modell soll bis Januar vorliegen, auch wenn die Umsetzung nicht so bald kommen wird laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Harald Schröder gibt eines zu bedenken: "Wir brauchen dann neue Lehrer." Und das in einer Zeit, in der es in vielen Lehrerzimmern Lücken gebe - auch im gymnasialen Bereich. "Das Problem muss gelöst werden." Doch gerade diese Einschätzung teilt Sebastian Kölsch nicht. Der Vorsitzende des Landeselternbeirats sagte kürzlich im Gespräch mit der Heilbronner Stimme: An beruflichen Gymnasien nähmen Schülerzahlen ab, von dort können seiner Ansicht nach also Lehrer an die allgemeinbildenden Gymnasien wechseln. Außerdem erwartet er, dass zu Beginn des neuen G9 weniger Lehrer nötig seien, "weil die Wochenstunden sinken".
G9-Rückkehr in Baden-Württemberg: Gewerkschaftsblick richtet sich auf die frühe Bildung

GEW-Sprecher Harald Schröder richtet den Blick zugleich weg von der aktuellen Diskussion über G8/G9 hin zu den Problemen, die der jüngste Pisa-Leistungsvergleich offenbart hat: Es sei wichtig, in die vorschulische Bildung und den Grundschulbereich zu investieren. Das sieht der Verband Bildung und Erziehung genauso.
Die neue Diskussion über Schulen wundert unterdessen Jana Kolberg von der GEW in Hohenlohe: Aussage der Landesregierung sei zuletzt stets gewesen, dass am Schulsystem nicht gerüttelt werde. Sie betont, dass man eines nicht vergessen dürfe: "Kinder brauchen zeitgemäße Unterstützung."
G9-Rückkehr in Baden-Württemberg: Gymnasien erwarten einen Mehrwert
Vom Kind her gedacht sei mehr Zeit an Schulen gut, die Gymnasien hätten aber auch gezeigt, das G8 funktioniere, sagt Antje Kerdels, die als Sprecherin in der Region die Direktoren der Gymnasien vertritt. Bei einer Schulreform müsse es unterm Strich einen Mehrwert für Gymnasien geben. Von der Landesregierung erwartet Antje Kerdels, dass über die Ergebnisse des Bürgerforums ernsthaft diskutiert werde. Und: Auch die Gymnasien sollten die Stellungnahme bekommen, so die Erwartung.
Matthias Wagner-Uhl lobt das Gutachten des Bürgerforums. "Jetzt muss die Politik den Ball aufnehmen und beweisen, dass sie Willens und in der Lage ist, die Bildungszukunft im Südwesten ernsthaft zu gestalten", sagt der Vorsitzende des Vereins für Gemeinschaftsschulen, der Rektor in Neuenstein ist. Er spricht sich gegen ein "Kleinklein und homöopathische Einzelmaßnahmen" aus. "Der Eindruck der aktuellen Pisa-Studie ist frisch und bietet eine Chance, endlich das Richtige zu tun." Was das Richtige sei, dazu benötige es eine gemeinsame Kraftanstrengung. "Wir brauchen eine Enquete-Kommission Bildungszukunft - irgendwie müssen wir doch mal über dieses ewige Klagen und Lamentieren hinauskommen." Er fordert unter anderem "konkrete und vor allem zügig umsetzbare Maßnahmen".
Elternvertreterin wundert sich: Wo bleibt Ruck der Bildungspolitik?
Viviane Kalisch ist überzeugt davon, dass die Rückkehr zum G9 der richtige Weg ist. Auch der erfolgreiche Volksantrag "G9-Gesetz" fordere ein Handeln der Politik. "Die aktuelle Pisa-Studie hat dem Schulsystem in Deutschland - wieder und wie andere Bildungsstudien auch - ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt", so die Vorsitzende des Heilbronner Gesamtelternbeirats. "Wo bleibt der Ruck in der Bildungspolitik?", wundert sie sich. Fast schon routiniert würden solche Hiobsbotschaften zur Kenntnis genommen. "Und dann geht es weiter im politischen Tagesgeschäft", bedauert sie.