Mit Biogas gegen die Energiekrise?
Welche Rolle kann Biogas im Strommarkt der Zukunft spielen? Die Spitzen von Städten und Gemeinden diskutieren, wie sie einem möglichen Energieengpass im Winter begegnen können. Unterdessen erhöht die EnBW den Strompreis deutlich.

Landwirtschaftsminister Peter Hauk sieht in der Biogasgewinnung durch Gülle und Mist eine Chance, den Bedarf mehr als bisher zu decken. Hier habe man erhebliches Potenzial, sagte er beim Erntegespräch mit dem Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems. Dänemark decke 75 Prozent des Gasbedarfes aus Biogas. Er hofft auf Erleichterungen im Baurecht für Biogasanlagen.
Ersatz ist zu einem Fünftel möglich
Ein Fünftel der Gasimporte aus Russland kann laut Fachverband Biogas kurzfristig durch Biogas ersetzt werden. Dafür müssten die Anlagen effizienter genutzt werden. Seit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2017 müssen alle Anlagen, die eine Folgeförderung wollen, doppelt so viel Strom erzeugen können wie die Menge, für die sie genehmigt wurden.
Mehr Gas aus Biogasanlagen ist innerhalb der Landwirtschaft aber umstritten. Thomas Karle, Betreiber einer großen Anlage im Bioenergiedorf Kupferzell-Füßbach, sieht die Möglichkeit, kurzfristig mehr Strom zu produzieren. Die Silos seien vom vorherigen, guten Erntejahr gut gefüllt. Auch könne er über Satelliten-Blockheizkraftwerke Häuser auch in Nachbarorten an sein Nahwärmenetz anschließen.
Warnende Stimmen
Doch es gibt auch warnende Stimmen. Helmut Bleher, Geschäftsführer des Bauernverbands, unterstützt zwar die Forderung der Biogasverbände, den Deckel für die Produktion von Biogas, den jede Anlage hat, abzuschaffen. Doch Extensivierung der Landwirtschaft zugunsten der biologischen Vielfalt und mehr Energie aus Biogasanlagen widersprächen sich. Wenn die Tierhaltung um 50 Prozent reduziert und mineralische Düngung verringert werden solle, dann "passt das nicht zusammen", sagt Bleher.
"Agrarische Rohstoffe, die ins Biogas fließen, stehen für den Lebensmittelmarkt nicht zur Verfügung." Die Politik müsse sich zur produktiven und intensiven Landwirtschaft bekennen. Die Stilllegungsverpflichtung müsse vom Tisch. "Wir können uns diese - nicht nur wegen der Energieknappheit, sondern vor allem wegen des weltweiten Nahrungsmitteldefizits - nicht mehr leisten."
Anfragen bei Gasversorgern
Bei den regionalen Gasversorgern häufen sich unterdessen die Anfragen besorgter Kunden. So berichtet Anja Leipold, Sprecherin der Zeag Energie AG, dass insbesondere Gewerbekunden anfragen, wo sie innerhalb der Abschalt-Reihenfolge platziert sind, sollte die Bundesnetzagentur einen Lieferstopp für nicht zu schützende Gaskunden anordnen. "Nicht-geschützte Industriekunden versuchen, bestmöglich auf andere Energieträger umzusteigen", erzählt Anja Leipold. "Wir haben als Versorger leider keinerlei Einfluss auf mögliche Abschaltungen." Das werde von der Bundesnetzagentur entschieden.
Preisspirale dreht sich
Unterdessen fängt die Preisspirale an sich zu drehen. Der Heilbronner Versorger HNVG hat bereits angekündigt, zum 1. Oktober den Gaspreis anzuheben. Am Freitag verkündete die EnBW, den Strompreis um im Schnitt 15 Prozent zum 1. Oktober zu erhöhen. Bei der Zeag ist da noch nichts entschieden, erklärt Anjka Lepold: "Sicherlich wird unser Tochterunternehmen Gasversorgung Unterland angesichts der neuen staatlich verordneten Gasbeschaffungsumlage seine Gaspreise anpassen müssen. Das erarbeiten wir derzeit und werden unsere Kunden dazu zeitnah informieren. Bezüglich Strom ist Stand heute noch keine Entscheidung zu einer Preisanpassung bekannt."