Regionale Weltläden: Die Pioniere des Fairen Handels
Weltläden engagieren sich in vielen Bereichen - neben weltweit fairen Handelsbeziehungen - geht es auch um Bildungsarbeit. Doch obwohl die Themen gerade im Trend liegen, beklagen die Ehrenamtlichen den Mangel an motiviertem Nachwuchs.

Wie ein Weltladen riecht? Vor 30 Jahren wussten es die drei Kinder von Paula Friedrich ganz genau. "Mama, du riechst nach Weltladen, haben sie häufiger gesagt, wenn ich abends vom Arbeiten nach Hause kam", erinnert sich die 63-Jährige und schmunzelt. Seither hat sich nicht nur im Weltladen in Weinsberg eine Menge verändert. Los ging es dort 1987 in einer Scheune in der Florian-Geyer-Gasse. "Damals war nur Freitagnachmittag geöffnet", sagt Friedrich, die seit 1994 aktiv dabei ist. Heute ist sie die Vorsitzende des Vereins "Eine-Welt-Initiative Weinsberg".
Größeres Angebot durch neue Räumlichkeiten
Mit dem Umzug in neue Räumlichkeiten vor 30 Jahren konnte das Angebot vergrößert werden. Und doch tickten die Uhren damals noch ganz anders als heute: "Bei einigen Verkaufsschichten im Laden hatte ich meine Kinder dabei", denkt Friedrich laut an die Zeit zurück, in der sie als junge Mutter nach der Kinderpause wieder ins Berufsleben startete. "Das wäre heute undenkbar." Die heutigen Kunden besuchen die ehrenamtlich geführten Weltläden mit den gleichen Ansprüchen wie den normalen Einzelhandel. "Wir sehen uns als Fachgeschäft des Fairen Handels", erklärt Friedrich. Und der boomt.
2020 haben die Deutschen für faire Produkte 1,8 Milliarden Euro ausgegeben, knapp zehn Jahre zuvor, 2011, waren es lediglich 477 Millionen Euro. Weltläden verkauften 2020 fair gehandelte Produkte im Wert von 72 Millionen Euro - das entspricht einem Umsatzrückgang von 13,3 Prozent im Vergleich zu 2019. Dieser hängt jedoch vor allem mit Ladenschließungen und leeren Innenstädten infolge der Pandemie zusammen. Insgesamt sind die Weltläden gut durch die Krise gekommen, Geschäftsaufgaben ließen sich verhindern. Die Befürchtung, wenn es überall fair gehandelte Waren gibt, seien die Nischengeschäfte der Dritte-Welt-Aktivisten nicht mehr nötig, hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht bewahrheitet.
Lebensmittel liegen hoch im Kurs
Die meisten Kunden in der Weinsberger Seufferheldstraße kaufen Lebensmittel. Am besten gehen Tee, Kaffee und Schokolade. Die gehört auch zu den Lieblingsprodukten von Marion Moser - Fleur de Sel, vegan. Die 32-Jährige ist ein Glücksfall für Paula Friedrich und ihre Mitstreiter. "Ich möchte mich sinnvoll für meine Umwelt engagieren", sagt die Weinsbergerin, die in unmittelbarer Nähe des Weltladens wohnt. In der Regel übernimmt die junge Frau, die neben dem Ehrenamt Vollzeit im Personalwesen arbeitet, die Schicht am Freitagnachmittag. "Unser Team besteht aus 13 Frauen und Männern", sagt Friedrich. Da muss jeder mindestens einmal in der Woche entweder von 9 bis 12.30 Uhr oder 14 bis 18 Uhr hinter dem Verkaufstresen stehen.
Durchschnittsalter der Ehrenamtlichen
Ganz ähnlich wie in Weinsberg sieht es auch in Flein aus. Dort besteht das Team aus rund 20 Personen. Das Durchschnittsalter liegt etwa bei Mitte 60. Nachwuchs ist entsprechend jederzeit willkommen. "Gerade jetzt in der Corona-Zeit war es nicht immer einfach die Schichten mit zwei Personen zu besetzen", berichtet die Vorsitzende Dagmar Hauth. "Die Sorge vor einer Ansteckung, Urlaube oder Enkelalarm machen es nicht leichter", so die 66-Jährige. Doch in dem freundlichen Laden im Zentrum Fleins gibt es immer etwas zu tun - neue Ware muss ausgezeichnet werden, Geschenke wollen eingepackt werden.
Vegane Produkte im Trend
Wie sehr sich die Weltläden verändert haben, kann auch Mitarbeiterin Doris Thilo bestätigen. Früher seien vor allem die einen Meter hohen Giraffen aus Holz gefragt gewesen, heute kommen die unterschiedlichen Upcycling-Produkte wie Rucksäcke oder Taschen besonders gut an. "Die junge Kundschaft fragt auch vermehrt nach veganen Produkten", so die 66-Jährige, die im August 2005 dem Aufruf nach Mitarbeitern folgte und seitdem geblieben ist. Die Menschen, die zu ihnen in die Ilsfelder Straße 5 kommen, beschreiben Thilo und Hauth als "aufgeklärte Kunden mit einer gewissen Kaufkraft".
Dagmar Hauth betont, dass "die Produkte im Weltladen ein Gesicht haben". Von den meisten Kaffeeverpackungen lacht ein Bauer, der erklärt, warum die Packung teurer ist als Ware aus konventionellem Handel: Fair ist teurer, weil fair gerechter ist. Die Kleinbauern erhalten einen Preis, der über dem des Weltmarkts liegt, außerdem langfristige Verträge und auf Wunsch eine Vorfinanzierung. Mit einem höheren und verlässlichen Einkommen sollen die Produzenten der Abhängigkeit von Großgrundbesitzern entkommen - und der Armut.

Ökostrom und Handysammelstelle
Wichtig für die Weltladen-Initiativen ist auch die Bildungsarbeit - coronabedingt in den vergangenen Monaten leider sehr eingeschränkt. Aber sowohl in Flein als auch in Weinsberg freut man sich bereits wieder auf den Besuch von Schulklassen. Übrigens beziehen beide Läden ihren Strom über den Ökostrom-Anbieter Naturstrom und sammeln alte Handys für eine fachgerechte Entsorgung oder Weiternutzung.
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