Der Weinsberger Obstbautag befasst sich mit Artenvielfalt
Weinsberger Fachtagung fand erneut online statt. Blühstreifen auf den Fahrtrassen der Obstplantagen tragen zur Biodiversität ein und können für weniger Spritzmitteleinsatz sorgen.

Während der Blüte summt und brummt, surrt und zirpt es in den Erwerbsobstanlagen. Damit es nach dieser Phase nicht still wird, sondern weiterhin Leben im Bestand herrscht, sollen Blühstreifen zwischen den Baumreihen gesät werden. Sie bescheren Bienen, Schwebfliegen, Spinnen, Marienkäfern und Co. einen reich gedeckten Tisch.
Für Staatssekretärin Sabine Kurz (CDU) vom Ministerium Ländlicher Raum einer der beiden "großen Hebel", die biologische Vielfalt in Obstkulturen zu stärken. Der zweite: den chemisch-synthetischen Pflanzenschutz zu reduzieren. Diese beiden Themen bildeten den Schwerpunkt des Weinsberger Obstbautags, organisiert vom Regierungspräsidium Stuttgart und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg (LVWO). Auch in diesem Jahr musste die Fachtagung für Obstbauern und Hobbygärtner online stattfinden.
Gesetz fordert Ausbau des ökologischen Landbaus
Im Nachgang des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" hat das Land Baden-Württemberg im Juli 2020 das Biodiversitätsstärkungsgesetz erlassen. "Das setzt uns unter Druck, etwas zu tun, was wir vorher in dieser Größenordnung nicht getan haben", umschreibt Dr. Franz Rueß, Abteilungsleiter für Wein- und Obstbau bei der LVWO, gegenüber der Heilbronner Stimme die Auswirkungen. Zu den Vorgaben gehört, den Anteil des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent zu steigern und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren. Das kann mit Maßnahmen, die die Biodiversität steigern, erreicht werden.
Neue Sorten werden gezüchtet und geprüft
Ein Baustein, Spitzmittel zu verringern, sei die genetische Vielfalt der Arten. Die beliebten Sorten Gala, Jonagold und Elstar hätten sehr hohe Ansprüche an den Pflanzenschutz und seien extrem anfällig gegen Spätfröste. Die LVWO züchtet und testet pilzwiderstandsfähige Sorten, die weniger gespritzt werden müssen. "Natyra ist im ökologischen Landbau der Renner, außerordentlich schmackhaft, lagerfähig, bei Zimmertemperatur haltbar und bringt einen guten Ertrag", nennt Rueß ein Beispiel. Aus eigener Sortenschmiede stammt der "Mammut", der eine hohe Blütenfrosttoleranz habe und den Folgen des Klimawandels trotzen könne.
Mehr Nützlinge bedeutet weniger Schädlinge
Blühstreifen förderten die Zahl der Nützlinge. Die Blutlauszehrwespe lege zum Beispiel ihre Eier in den Schädling Blutlaus. Nach dem Schlüpfen frisst die Wespe die Laus bei lebendigem Leib. Blumentöpfe mit Stroh lockten Ohrwürmer an, und Ankerpflanzen wie Holunder am Reihenanfang und -ende böten Nistplätze für Vögel. "Meisen fressen viele Maden, die Obst parasitieren", erklärt der Experte.
"Umweltschutz und Biodiversität kosten Geld", verschweigt Rueß nicht und fordert deshalb auch Förderprogramme für Blühstreifen.
Erfahrungen aus der Praxis
Albrecht Rembold, Obstbauer aus Öhringen-Baumerlenbach, berichtet bei der Fachtagung von seiner vierjährigen Erfahrung mit Blühstreifen. Sein Hof ist einer der sechs Demonstrationsbetriebe für Pflanzenschutzmittelreduktion im Land. Eine der größten Herausforderungen sei die Technik. So hat Rembold eine Beetfräse zur Sämaschine umgebaut. Er merkt an, dass es für die Ausstattung keine Zuschüsse gebe. "Das Saatgut kostet Geld, und die Aussaat ist aufwendig", sagt er. Er bezahle seine Mitarbeiter und Steuern mit dem Verdienst aus den Äpfeln, stellt er klar, dass die Blühstreifen nur ein Nebenprodukt sein könnten, die Obstkultur Vorrang habe. "Mir gefällt es, und ich mache weiter", versichert er aber gleichzeitig.
Rembold beobachtet in den Blühstreifen eine starke Mauspopulation, die bekämpft werden müsse, aber auch jede Menge Nützlinge. "Die Spaziergänger freuen sich dran", berichtet er von einer positiven Resonanz auf die farbenfrohe Pracht zwischen den Obstbäumen. Das verbessere das Image, "und das tut uns gut".
Tipps vom Experten
"Der Streuobstanbau ist per se ein völlig intaktes Ökosystem", sagt der Ob st- und Weinbauexperte Dr. Franz Rueß . Deshalb müsse man sich in diesem Bereich in der Regel keine Gedanken über Biodiversität machen. Dennoch hat er eine Botschaft: Bäume und Wiese müssten gepflegt werden, sonst drohe die Verbuschung.
Der Hobbygärtner sollte den Artenschutz nicht der Landwirtschaft überlassen, sondern er könne selbst etwas tun, meint Rueß: Nistkästen aufhängen, Insektenhotels aufstellen und für Blumen und blühende Stauden sorgen. Schottergärten und Mähroboter, die alles abmähen, sind für ihn tabu.