Birgt Mobilfunk gesundheitliche Gefahren? Experte nimmt in Obersulm Stellung
Ein Biologe vom Bundesamt für Strahlenschutz widerspricht Behauptungen der Bürgerinitiative "5G-Ausbaustopp in Obersulm". Grenzwerte werden nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft.

Es gibt keine gesundheitlichen Risiken, solange die Grenzwerte eingehalten werden." Das ist das Fazit von Dr. Florian Kohn vom Bundesamt für Strahlenschutz, einer unabhängigen Bundesbehörde. Er stellte auf Wunsch der Gemeindeverwaltung den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu 5G vor. In seinem fast einstündigen hochkomplexen Vortrag nahm er Stellung zu den 14 "Irrtümern", die die Bürgerinitiative "5G-Ausbaustopp in Obersulm" in einem Flyer zusammengestellt hatte. Kohn widerlegte die darin aufgestellten Aussagen.
Unterschriften gesammelt
Der Flyer war bereits im Frühjahr 2021 verteilt, die gesammelten Unterschriften gegen den 5G-Ausbau im November Bürgermeister Björn Steinbach überreicht worden. Eigentlich sollte das Thema Gegenstand einer Bürgerversammlung sein. Nun gab es Aufklärung in der Gemeinderatssitzung vor gefüllten Rängen. Ein Dialog zwischen Gegnern und Experte war damit nicht möglich. Die Ausführungen Kohns sollen auf die Homepage der Gemeinde gestellt werden.
BI: Ausbau nicht nötig
Die BI fordert den sofortigen Ausbaustopp des neuen Mobilfunkstandards 5G mit 57 Funkmasten und -zellen sowie den Rückbau bereits installierter Zellen. Es brauche nicht 5G für schnelleres Internet, Funklöcher ließen sich damit nicht schließen, ist die Meinung der BI. Kohn konzentrierte sich vor allem auf die von der Bürgerinitiative aufgeführten "Irrtümer", die sich um Grenzwerte und Gesundheit drehen. "5G ist nicht unbedenklich", lautet deren Behauptung.
Experte: Strahlenbelastung steigt nicht an
Die gesundheitlichen Effekte - es gehe allein um eine thermische Wirkung - seien gut untersucht, sagte der Biologe und Neurophysiologe. Beim Mobilfunk handle es sich um hochfrequente elektromagnetische Felder, um nichtionisierende Strahlung, die den Körper nicht schädigen könnten. Die ersten Forschungsergebnisse zeigten, dass die Strahlenbelastung durch 5G nicht ansteige. Dass die Strahlenleistung des neuen Standards mehr als zehn mal höher sei, stimme nicht, so Kohn. Es seien die gleichen Frequenzen.
Handwerkliche Fehler, wenig Aussagekraft
Die Studien der Gesundheitsgefahren, die die BI anführe, wiesen handwerkliche Fehler auf, deren Aussagekraft sei nicht besonders gut. Eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts bis 2017 hingegen zeige, dass die Inzidenzraten in Sachen Hirntumore nicht gestiegen seien. Bei den Auswirkungen von niederfrequenten magnetischen Feldern werde allerdings noch geforscht.
Entscheidend ist das Handy am Ohr
"Noch nicht geklärt ist, ob die intensive Nutzung von Mobilfunk krebserregend ist", sagte Kohn. "Beim Rauchen weiß man, dass es krebserregend ist, beim Mobilfunk noch nicht", sagte er. Aber: Relevant seien nicht die Basisstationen - die Mobilfunkmasten - sondern die Felder der Endgeräte. Es gehe um Vieltelefonie mit dem Handy am Ohr. Dass der Grenzwert für Strahlenstärke um ein Vielfaches nach oben gesetzt wurde - wie die BI im Flyer schreibt - stimme nicht.
Kohn stellte klar, dass die Grenzwerte für Basisstationen im Bundes-Immissionsschutzgesetz seit 1997 unverändert seien und Vergleiche mit anderen Ländern hinkten. Die Höchstschwelle der thermischen Wirkung orientiere sich auch nicht an toten Erwachsenen, räumte er mit einer weiteren Aussage der BI auf.
"Die Grenzwerte werden in Deutschland nur zu wenigen Prozenten ausgeschöpft", kam Kohn auf Messungen der Bundesnetzagentur zu sprechen. Als Beispiel zog er aus der Region eine Datenerhebung von Weinsberg von 2001 heran: Der Grenzwert wurde nur zu knapp einem Prozent ausgeschöpft. In dieser Region bewegten sich die meisten Ergebnisse.
"Eine 100-prozentige Unbedenklichkeit kann die Wissenschaft nicht leisten. So funktionieren Experimente nicht", machte der Experte deutlich. Natürlich werde weiter geforscht.
Kritik: Es wird mit Halbinformationen gearbeitet
Roland Eisele (CDU) hoffte, dass der "erhellende Vortrag" manche Irrtümer kläre, die in die Bürgerschaft getragen worden seien. Dass man heutzutage mit Halbinformationen arbeite, statt mit klaren Fakten, fand er bedauerlich. Michael Schepperle (SPD) regte an, die Ausführungen Kohns ins Ratsinformationssystem einzustellen. Ulrich Hohl (FWV) schloss aus den Aussagen des Experten, dass der Gemeinderat mit seiner Entscheidung 2020, ein Grundstück auf dem Dorfberg in Affaltrach für einen Mobilfunkmasten zu vermieten, nicht falsch gelegen habe.
Standorte in der Gemeinde
Vodafone hat bisher drei Mobilfunkmasten in Obersulm - in Sülzbach, Affaltrach und Eschenau, Telefonica und Telekom haben deren je zwei im Paradies in Eschenau und in Willsbach. Bürgermeister Björn Steinbach hatte sich bei den Anbietern nach dem Ausbaustand und den Plänen erkundigt. Vodafone habe 5G light schon umgesetzt, der Standort Eschenau sei noch nicht ausgebaut. Telefonica sei noch nicht so weit und die Telekom habe den Ausbau schon vor längerem vollzogen.
Alle drei Anbieter suchten nach je einem weiteren Standort, Vodafone im Bereich Eschenau, Telefonica für die Versorgung der Bahn an der Bahnlinie zwischen Eschenau und Wieslensdorf, die Telekom in Affaltrach. Es gebe keine Hinweise, dass ein Mobilfunkmast auf dem Dorfberg konkret werde. Der Gemeinderat hatte zugestimmt, Abel Mobilfunk ein Grundstück zu vermieten.
Die 50 kleinteiligen Antennen, die die Mobilfunkunternehmen für den Ausbau von 5G aufstellen wollten, würden nicht montiert. Das hätten alle drei bisherigen Anbieter in Obersulm versichert, konnte Steinbach die Bürgerinitiative in dieser Hinsicht beruhigen.