Der Brunnen mit dem Wunderwasser
Das Prädikat "Bad Roigheim" hätte ja schon etwas. Mit potenten Investoren und wenn es die Kriege nicht gegeben hätte, wäre es fast soweit gekommen. Der Heimatverein will die Geschichte des einstigen Schwefelwasserbrunnens wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.

Bereits 1476 wurde eine Quelle erwähnt, die Schwefel enthielt und wohl schon die alten Römer kannten. "Die Randlagen in der Kurpfalz und später in Württemberg verhinderten aber vermutlich eine Entwicklung", mutmaßte der Vorsitzende des Heimatvereins Roigheim, Dr. Dieter Wollmann, in seinem Vortrag am Samstag im Roigheimer Bürgerhaus.
Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur einen Beitrag zur Aktion "Historische Brunnen im urbanen Raum" der Kulturregion Heilbronner Land zu leisten, sondern auch das örtliche Schwefelwasservorkommen und seine Geschichte wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Das gelang den Mitgliedern des rührigen Vereins überzeugend. Gemeinsam mit Spendern haben sie jetzt einen Brunnen gebaut, aus dem per Hand kostenlos Schwefelwasser gepumpt werden kann. Das auf einem Stich von 1669 und in der von Johann Matthias Fabrum (Faber) in Frankfurt aufgelegten "Bethesda Roeghemiana" dargestellte Brunnenhaus ist heute nicht mehr vorhanden. Man hat aber den Standort lokalisiert und auch die Beschreibung Fabers herangezogen, der festhielt: "Ungefähr bey 600 Schritt vom Marktflecken Roigheim, da man gegen Mittag (Süden) zu den beeden Mühlen zum Fluß Seckach gehet. Dass das Wasser nicht zehn Schritt davon in die gemelte Seckach fließt."
"Der Brunnen liegt noch unter den Betriebsgebäuden der heutige Firma Pucaro, dort waren auch die zwei Mühlen. Unweit davon wurde 1936 ein Brunnen gebohrt, der jetzt wieder zugänglich ist.
In seinem Vortrag stellte der promovierte Chemiker die geologische Lage im Seckachtal vor. "Wir haben hier die Besonderheit, dass Kalk- und Gipsschichten in geringer Tiefe in der Talaue durch angeschwemmte Erde, Pflanzenreste und Torfschichten luftdicht überdeckt sind." Anaerobe Mikroorganismen würden dabei helfen, Grundwasser, das durch diese Schichten strömt, in chemischen Reaktionen mit Schwefelwasserstoff anzureichern. "Diese Reaktionen kann man riechen" fügte er hinzu. In einem historischen "Extract der mercklichsten Exempel und Experimenten von Curen der Wild- und Heilbrunnen zu Roigheim" sind Beispiele für geheilte Krankheiten aufgeführt. Darunter: Übel Gehör, Taubheit, offene Füß, Krätze, Ruhr, Kropf und Lähme. Apotheker Häuffel aus Neuenstadt hat 1832 eine Analyse durchgeführt und die Heilwirkungen des Schwefelwassers beschrieben.
Wollmann zollte ihm Respekt, doch "ich würde den unkontrollierten Gebrauch des Schwefelwassers bei mir aber nicht anwenden, da es toxischen Schwefelwasserstoff enthält", gestand er. Die Roigheimer Schwefelquelle hat 4,3 Milligramm Schwefelwasserstoff.
Vereinskollege Gerhard Weilbrenner schwört hingegen auf die Heilwirkung, "die, in der richtigen Dosis angewandt, auch einsetzt", sagte er. Bürgermeister Michael Grimm hob bei der Kostprobe am Brunnen hervor, dass der Gemeinde keine Kosten entstanden seien und dankte den Aktiven dafür.
Stichwort: Zisterne Bethesda
"Bethesda" ist eine Zisterne in Jerusalem aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, die aus dem aramäischen abgeleitete lautet: "Er gibt Erweckung oder Genesung." Die Verwendung des Namens in der Bethesda Roeghemiana von 1669 belegt die hohe Wertschätzung, die man dem Roigheimer Schwefelwasser einst beigemessen hat. Die Chronik beschreibt, dass pro Woche bis zu 1000 Besucher zur Quelle kamen und Schwefelwasser holten. Hofmedicus Faber forderte 1668 eine Kur- und Badeordnung. Die verarmte Gemeinde konnte diese Aufgaben allerdings nicht stemmen. Faber verlangte eine Basis für einen Kurort herzustellen: "Ihre Häuser mit dem nötigen Gezeug zu versehen und zu lernen wie man bey Bädern die Leute tractieren solle", berichtete Karlheinz Englert in seinem Heimatbuch.
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