Wo wir Fremde sind
Von unserer Redakteurin Julia Neuert Ein Streifzug durch New York: Doch nur die Kamera hat den Blick für die atemberaubende Schönheit dieser Stadt. Nicht aber Vincent (Vincent Macaigne), der aus Paris in die amerikanische Metropole reist und nur Augen für seine ...

Von unserer Redakteurin Julia Neuert
Ein Streifzug durch New York: Doch nur die Kamera hat den Blick für die atemberaubende Schönheit dieser Stadt. Nicht aber Vincent (Vincent Macaigne), der aus Paris in die amerikanische Metropole reist und nur Augen für seine Ex-Freundin Barbara (Kate Moran) hat, die er aller Aussichtslosigkeit zum Trotz zurückerobern will. In grenzenloser Naivität, mal theatralisch, aber vor allem komisch, driftet Vincent Tag und Nacht durch Manhattan und Brooklyn. Blind dafür, das die Vergötterte längst einen anderen hat. Und in seiner Sturheit, die in diesem gelungenen Auftakt eine wunderbar komödiantische, nicht tragische Tonart hat, auch blind für die Zuneigung der dänischen Touristin (Sofie Rimestad), die den sympathischen Realitätsverweigerer auf seinem Weg begleitet.
In "Stubborn − une historie americaine", dem zweiten Spielfilm des Franzosen Armel Hostiou, der das 64. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg am Freitag eröffnet hat, bleibt der Hauptdarsteller gleich in mehrerer Hinsicht ein Fremder. Fremd in der Stadt, die nicht umsonst als der Schmelztiegel verschiedener Welten gilt, befremdlich in seinem Verhalten, in der Begegnung mit Wildfremden.
Programm Programmatisch steht der stilisierte New-York-Film damit für das große Thema dieser 64. Ausgabe, das schon durch seine Filmauswahl immer auch eine Einladung ist, sich auf das Fremde einzulassen. 22 Newcomer-Werke − aus dem Iran, Mexico, Tschechien, Malta, Kanada oder Kasachstan − laufen im internationalen Wettbewerb, darunter zwei Weltpremieren, vier internationale Premieren, drei Europa- und 13 Deutschlandpremieren. Daneben zeigt das Festival vier Filme ("Die Wolken von Sils Maria", "Carlos − Der Schakal", "Die wilde Zeit" und "Irma Vep") von Olivier Assayes, der mit dem Preis "Master of Cinema 2015" geehrt wird. 17 Spielfilme richten in der neuen Sektion "Weltkino" ihr Augenmerk auf namhafte internationale Werke, die größtenteils auf anderen Filmfestivals, allen voran in Cannes, 2015 zu sehen waren.
Neu ist in diesem Jahr nicht nur die Verlängerung auf 16 Tage oder der mit den Campbell Baracks neue Spielort in Heidelberg. Erstmals wird neben dem Hauptpreis des Festivals, dem "Grand Newcomer Award", der "New Creators Award" im Wettbewerb "Internationale Serien" verliehen.
Serien Acht Produktionen, unter anderem aus Deutschland, Schweden, Australien oder Norwegen, werden gezeigt, die, so die Macher der Festivals, sich vielleicht in Länge und Format, aber nicht in ihrer Qualität vom ganz großen Kino unterscheiden. Eine Abkehr vom Spielfilm also? Wohl kaum. Eher die Einladung, sich zu öffnen für andere, neue Einblicke auf der Leinwand, und sich verändernde Sehgewohnheiten in einer sich verändernden Medienwelt. Damit verbunden einmal mehr die Chance, zu sehen, dass die uns vertraute Art zu denken und zu leben nur eine kleine Variante der vielen Möglichkeiten auf diesem Globus ist.