Über 100.000 besuchen Niki-de-Saint-Phalle-Ausstellung in Kunsthalle
Schwäbisch Hall - Die Sommerausstellung "Niki de Saint Phalle - Spiel mit mir" in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall schlägt alle bisherigen Besucherrekorde. Die Schau wurde jetzt bis 23. Oktober verlängert.
Schwäbisch Hall - Die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall verlängert die Laufzeit ihrer Sommerausstellung „Niki de Saint Phalle – Spiel mit mir“ aufgrund der großen Besucherresonanz bis einschließlich Sonntag, 23. Oktober. Wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte, hat die Schau seit ihrer Eröffnung am 17. April über 100.000 Besucher angezogen und ist damit die bislang besucherstärkste in der Geschichte der Kunsthalle Würth, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert.
Niki de Saint Phalle: Weil die Welt eine Brust ist
Sie mochte Träume, Fantasien, Kreise, Kurven und Wellenformen. „Die Welt ist eine Brust“, hat sie einmal gesagt. Sie hasste rechte Winkel, Symmetrie, und Perfektion. Und das Leben war ihr letztendlich wichtiger als die Kunst. Niki de Saint Phalle wurde weltberühmt durch ihre Nanas, jene Urmütter, die der Weiblichkeit urwüchsigen Ausdruck verleihen.
Dass die 1930 in Neuilly-sur-Seine bei Paris geborene und 2002 im kalifornischen San Diego verstorbene Künstlerin einen weitaus vielschichtigeren Kosmos geschaffen hat, zeigt eindrucksvoll die „Spiel mit mir“ betitelte Werkschau in Schwäbisch Hall. Mit 180 Arbeiten gibt sie einen umfassenden Einblick in alle Schaffensphasen ihres breitgefächerten Werks, das von weitgehend unbekannten malerischen Anfängen über Assemblagen, Schießbilder und Skulpturen bis hin zu fantastischen Architektuprojekten wie dem Tarotgarten in der Toskana reicht.
„Niki ist meine Herzkünstlerin“, bekennt Kurator Guido Magnaguagno, lange Jahre Leiter des Jean-Tinguely-Museums in Basel. Die Schau macht anschaulich klar, dass bereits in den frühen Bildern alles angelegt ist, wovon Niki de Saint Phalles autobiografisch geprägtes Werk zehren sollte: Kathedralen, Nanas, Tiere und Fabelwesen in einer kunterbunten Fülle.
Kurz nach der Geburt ihrer Tochter Laura erleidet sie 1953 einen schweren Nervenzusammenbruch und entdeckt die Malerei als Therapie. Der amerikanische Maler Hugh Weiss bestärkt sie darin. Die ersten Bilder sind kindlich-naiv. 1956 lernt sie Jean Tinguely und seine Frau Eva Aeppli kennen. Sie beginnt mit Reliefs, für die sie sich in Tinguelys Schrott-Arsenal bedient. Schrauben, Kaffeebohnen und Bürsten integriert die Autodidaktin in ihre Objektbilder. Neben der frohen Fabelwelt gibt es aber auch eine mit Monstern, Teufeln, Kobolden und Objekte mit Messern und Pistolen: Hinweis auf Selbstverletzung oder ihre Art, Waffen durch ein Kunstwerk zu entschärfen?
1961 bis 1963 realisiert sie die Schießbilder: Sie zielt auf Farbbeutel, die sich dann über den modellierten Gips ergießen: „Eine Jeanne d’Arc der Kunst“, sagt Magnaguagno. Mit den Schießbildern verbannt Niki de Saint Phalle die Männer aus ihrem Werk. Wenn Männer nett sind, kommen sie fortan als liebe Tiere vor, wenn sie böse sind, als Monster. Ab Mitte der 60er Jahre gibt es nur noch Frauen in Niki de Saint Phalles Kunst: Nanas, Bräute, Hexen, Gebärende. Ein „epochales Kunstereignis“, so Magnaguagno, war 1966 die Realisation der monumentalen „Nana (Hon)“ für das Moderna Museet in Stockholm.
Für den Schweizer Kurator ist das Kindliche der Kern ihres Werks, das so kunterbunt ist wie die Welt von Pippi Langstrumpf: „Niki ist eine Künstlerin, die gut tut.“ Der Titel der Ausstellung „Spiel mit mir“ zitiert den Titel eines ihrer ersten Bilder: eine Hügellandschaft, Frauenfiguren als Nana-Vorläuferinnen und stürzenden Türme, wie man sie später im Tarotgarten wiederfindet. Signiert ist das 1955 entstandene Bild mit „Niki“ in Kinderschrift. Den Appell „Spiel mit mir“ an die Kreativität in uns allen erinnert an Joseph Beuys’ Satz „Jeder ist ein Künstler“.
Niki, erklärt ihre Tochter Laura Duke, war der Kosename ihrer Mutter als Kind. Ihr gefällt die Ausstellung sehr: „Sie hilft mir, meine Mutter wiederzufinden“. Niki de Saint Phalle hat durch ihre Kunst das Trauma des sexuellen Missbrauch durch ihren Vater überwunden, sagt Laura Duke: „Es war ein langer Kampf der Selbsfindung.“ Der Werkstoff Polyester wird der Künstlerin zum Verhängnis, weil er beim Bearbeiten giftige Dämpfe entwickelt, die die Lunge schädigen. Wegen des Klimas zieht die Feministin und Pazifistin 1994 nach Kalifornien, wo ihre Totems in Auseinandersetzung mit indianischer Mythologie entstehen: Tierpyramiden im Stil der Bremer Stadtmusikanten. Auf einer ihrer letzten grafischen Arbeiten heißt es: „La morte n’existe pas, life is eternal“ (Den Tod gibt es nicht, das Leben ist ewig). Mehr Lebensbejahung gibt es nicht.
Rahmenprogramm
Die Kunsthalle weist darauf hin, dass auch in den kommenden Wochen ein umfangreiches Rahmenprogramm zur Ausstellung für Erwachsene, Jugendliche und Kinder angeboten wird. Bei Themenführungen am 26. August, 23. September und 14. Oktober, jeweils 15 Uhr, führt der Bildhauer Franz Raßl aus Sicht eines Künstlers in das umfangreiche Werk von Niki de Saint Phalle ein.
Öffentliche Führungen für Kinder von sechs bis zwölf Jahren finden am 3. September und 1. Oktober, jeweils 11 Uhr, statt. Geht es bei der Kinderführung im September um die Kunst aus Fundstücken, steht im Oktober das Künstlerpaar Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely im Mittelpunkt. Eine exklusive Abendführung wird am 25. August, 18.15 Uhr angeboten. Weitere öffentliche Führungen gibt es jeden Sonntag um 11 Uhr und 14 Uhr.
Die Kunsthalle Würth ist täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos unter kunst.wuerth.com. as/red
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