Theater und Orchester Heidelberg zeigen "Restworld" bei den Theatertagen in Heilbronn
Western trifft Science Fiction: Basierend auf dem Film und der Serie "Westworld" fragt das Stück "Restworld", wer eigentlich wen braucht: der Mensch den Roboter - oder umgekehrt? In der Boxx wird das Androiden-Stück zum anregenden, herausfordernden Abend.

Hat der Mensch das Duell gegen die Maschine nicht schon längst verloren? Sie arbeitet schneller, billiger und liefert gleichbleibende Qualität: Kommen die Roboter, müssen die Mitarbeiter gehen, lautet ein Szenario, das bei der Diskussion um die Folgen der Automatisierung für die Arbeitswelt gerne in düsteren Farben ausgemalt wird.
Alle diejenigen, die Tätigkeiten ausführen, die sich wiederholen, werden von uns vom Platz gedrängt, wenn dieser Platz ein Marktplatz ist, erklärt eine der menschenähnlichen Maschinen im Stück "Restworld". Der Clou an der Sache: Dieser Jobkiller ist ein Revolverheld. "Das ist mein Design", sagt er.
Autor und Regisseur Michael Crichton lieferte 1973 die Vorlage
1973 erzählte Autor und Regisseur Michael Crichton in seinem Film "Westworld", wie Menschen in einem riesigen, mit Robotern bevölkerten Themenpark ihre geheimen Sehnsüchte verwirklichen. Als Touristen im Römischen Reich, Mittelalter oder Wilden Westen erleben sie das Abenteuer ihres Lebens, haben Sex mit und kämpfen gegen Androiden, die darauf programmiert sind, das alles zu erdulden. Bis ein technischer Defekt die Machtverteilung auf tödliche Weise neu regelt.
Dietmar Dath, Science-Fiction-Experte, Autor und Journalist ("Spex", "FAZ"), hat diese Geschichte, die seit 2016 von HBO auch als TV-Serie adaptiert wird, weitergedacht und gemeinsam mit dem Frankfurter Duo F. Wiesel (Jost von Harleßem und Hanke Wilsmann) das Stück "Restworld" entwickelt. Im Oktober am Theater und Orchester Heidelberg uraufgeführt, präsentiert sich deren Ensemble mit dieser Inszenierung am Mittwoch bei den Baden-Württembergischen Theatertagen in der nur etwa zur Hälfte besetzten Boxx in Heilbronn. Ein so anregender wie herausfordernder Abend, der in rascher Folge philosophische Fragen aufwirft.
Wie Dietmar Dath und F. Wiesel die Geschichte weiterdenken
Die Technologie-Dystopie, Dietmar Dath und F. Wiesel (auch Regie und Bühne) treiben sie auf die Spitze: In ihrer Vision einer zukünftigen Welt ist der Klimawandel weit fortgeschritten, die Erde größtenteils überflutet oder Wüste - und die Menschen sind verschwunden. Zurückgeblieben sind nur die Roboter, die sich daran erinnern, wie das damals gewesen ist mit den Menschen und die versuchen, sich weiterzuentwickeln.
Mehr Szenencollage, denn durchgängige Handlung: Die gut 90 Minuten sind eine Mischung aus Schauspiel, Figurentheater und Videoeinsatz. Zur dichten Atmosphäre tragen auch Musik und Sounds bei: Ständig pfeift der Wind, zirpen Grillen und krächzen Vögel. Ab und an schlagen Glocken. Vor den Augen des Publikums bauen die Darsteller auf der Bühne eine Westernstadt en miniature auf, deren Details werden mithilfe einer Kamera groß an die Wand projiziert.
Wenn Androiden philosophische Fragen aufwerfen
Am (Bühnen-)Rand modelliert Figurenspielerin Cali Kobel eine Puppe, die sie dann als Mini-Roboter mit bedrohlich leuchtenden Augen zum Leben erweckt. F. Wiesel-Mitglied Jost von Harleßem bedient Computer und spielt Videospiele-Klassiker wie "Wild Gunmen" oder "Tetris". Die Grenzen sind jedoch fließend: Als Figuren sind sie immer wieder auch Teil des Geschehens.
Wer braucht hier eigentlich wen? Der Mensch den Roboter oder der Roboter den Menschen? Drei unterschiedliche, namenlose Modelle im Cowboy-Outfit (Kostüme: Naomi Kean) diskutieren miteinander und spielen Western-Klischees durch - emotionaler, als man das von einer künstlichen Intelligenz erwarten würde. Dem einen (Hendrik Richter) wird beispielsweise unheimlich zumute, wenn sein Kollege in Regungslosigkeit verfällt und lädt. Jener (Leon Maria Spiegelberg) wiederum hasst Menschen abgrundtief. Oder ist das vielleicht nur Bestandteil ihrer hochentwickelten Storylines? Sandra Bezlers Androidin liefert eine witzige Imitation raubeiniger Leinwandhelden à la John Wayne und Clint Eastwood.
Was ihnen gemein ist: Weil sie so programmiert sind, dass sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem Punkt zusammendenken, sind sie gefangen in der Hölle eines permanenten Déjà-vus. Immer, wenn sie denken, sie machen Fortschritte, müssen sie feststellen: "Das hatten wir doch schon." Man könnte glatt Mitleid mit diesen Maschinen haben.
Hintergrund: "Westworld"
Ein bisschen Gesellschaftskritik und viel Spannung: 1973 trafen James Brolin und Yul Brynner zum Kampf zwischen Mensch und Maschine in "Westworld" aufeinander. Michael Crichton führte Regie. 2016 folgte die Serienadaption des US-Senders HBO, die die Geschichte zu einer philosophisch-komplexen Erzählung ausformte. Vor wenigen Tagen wurde bei Sky die vierte Staffel veröffentlicht.




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