Stimme+
Brackenheim
Lesezeichen setzen Merken

Raus aus dem Windschatten: Der Kunstverein Brackenheim hat eine neue Leiterin

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Giovanna-Beatrice Carlesso ist bekennender Nero-Fan, bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Literatur und Kunst und ist seit Mai Vorsitzende und Ausstellungsleiterin des Brackenheimer Kunstvereins. Warum unter ihr Ausstellungen künftig nur noch drei, vier Tage dauern.

"Was wir in den vergangenen Jahren geschafft haben: ein nicht unbeachtliches Niveau", sagt Giovanna-Beatrice Carlesso.
Foto: Mario Berger
"Was wir in den vergangenen Jahren geschafft haben: ein nicht unbeachtliches Niveau", sagt Giovanna-Beatrice Carlesso. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Es ist kein Zufall, dass Giovanna-Beatrice Carlesso an diesem schwülen Nachmittag Schwarz trägt. Bluse wie Hose. Passend zur Brille und dem dunklen Haar, kleidet sich der bekennender Nero-Fan fast immer so.

Schwarz ist nicht nur stilbildend für ihr Outfit. Carlesso, seit Mai Leiterin des Brackenheimer Kunstvereins und ehrenamtlich für das Ausstellungsprogramm verantwortlich, macht sich schon lange Gedanken über diese dunkelste aller Farben, die wie Weiß und Grau zu den sogenannten unbunten Farben gehört.

Nun ist der Generationenwechsel vollzogen

"Nero" etwa war auch der Titel einer Gruppenausstellung, die Giovanna-Beatrice Carlesso vor der Pandemie im Kunstverein im Flüchttor kuratiert hatte. Damals war noch ihre Mutter Isolde Döbele-Carlesso erste Vorsitzende, nun ist der Generationenwechsel vollzogen.

Schon die Steinzeitmenschen haben mit schwarzen Pigmenten experimentiert, erzählt die 31-Jährige, und dass die Farbe sich durchs Mittelalter zieht über die Renaissance bis heute. Das antike Rom unterschied zwischen zwei Schwarztönen: zwischen einem matten, furchterregenden Schwarz und einem glänzenden Schwarz, das positiv konnotiert war, erklärt sie.

"Ich bin mit der Farbe ein Stück weit aufgewachsen." Geboren und groß geworden ist die Tochter einer Historikerin und eines Künstlers in Brackenheim, den italienischen Namen hat sie vom Vater, einem Venezianer.

Kunst- und Künstlerdrama

In Stuttgart, wo sie lebt, hat Giovanna-Beatrice Carlesso Germanistik und Kunstgeschichte studiert, vor wenigen Wochen wurde sie mit ihrer Doktorarbeit "Kunst - Terror - Tod. Das postdramatische Kunst- und Künstlerdrama von Christoph Schlingensief" promoviert, gerade arbeitet sie an der Drucklage. Wie sie überhaupt gerne schreibt, nicht nur wissenschaftlich, sondern "kreativ", wie Giovanna-Beatrice Carlesso sagt.

Es ist die Schnittstelle von Literatur und Kunst, die sie interessiert. Und das Performative, was wiederum ihr Interesse an Theater erklärt und an Christoph Schlingensief, diesen "intermedialen Grenzgänger". "Künstlerische Diskurse" und "das Reflektieren von Kunst" prägen die junge Frau seit ihrer Kindheit.

"Ich habe gelernt, dass Kunst ein vitaler Faktor ist." Dazu gehören Malerei und Zeichnung des Vaters. "Sie haben mich begleitet. Wenn ich mir etwas tätowieren lassen würde - was ich nicht mache - wäre es ein Engelbild meines Vaters."

"Bitte nicht über Geld reden"

Seit 1980 gibt es den Kunstverein Brackenheim, etwa 50 Mitglieder zählt er. Die Stadt stellt mit dem Flüchttor die Räume zur Verfügung, das Budget ist klein, "bitte nicht über Geld reden". Drei bis vier Ausstellungen, es können auch performative Events sein, plant Carlesso im Jahr. Kunst als Erlebnis liegt ihr am Herzen, weswegen Ausstellungen künftig nur wenige Tage dauern.

Die Leute sollen zur Eröffnung kommen, die Künstlerin oder den Künstler und sein Werk erfahren. Nach der Vernissage wird die Schau noch zwei, drei Tage zu besuchen sein. Dann ist Schluss. Pech für all jene, die zu dem Zeitpunkt nicht nach Brackenheim kommen können. Warum so kurz? "Weil ich festgestellt habe, dass die Vernissage die größte Aufmerksamkeit nach sich zieht."

Man kann den Künstlern ja auch auf Instagram folgen, sagt Carlesso, der wichtig ist, den Generationenwechsel auch digital zu begleiten. Wohl wissend, dass das nicht nur ästhetisch etwas anderes ist. "Brackenheim liegt im Windschatten von Stuttgart, Karlsruhe und Heilbronn", bleibt die neue Vorsitzende realistisch. Und doch will Giovanna- Beatrice Carlesso "etwas hierher bringen, das es so nicht gibt".

"Ich freue mich über die Herausforderung"

"Was wir in den vergangenen Jahren geschafft haben: ein nicht unbeachtliches Niveau", sagt sie nicht ohne Stolz. Wie andere Kunstvereine ist man in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine. Carlesso betont ihre Unabhängigkeit von Galerien und Sammlern. "Ich freue mich über die Herausforderung, die Kulturlandschaft mitzuprägen. Und, dass ich einstimmig gewählt wurde." Allerdings, Mitbewerber gab es keine. Auch das möchte Giovanna-Beatrice Carlesso vorantreiben: das Interesse der Jüngeren an Kunst wecken.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben