Musik wie aus Tausendundeiner Nacht
Das Elias Nardi Trio verzauberte bei der 979. Stunde der Kirchenmusik mit Musik aus Armenien

Emanuele Le Pera schreitet durch den Mittelgang der Kirche. Ein geheimnisvolles Rauschen geht von dem Klangbecken aus, das er vor sich her trägt. Es ist der Auftakt zur 979. Stunde der Kirchenmusik, und Le Pera ist der Percussionist des Elias Nardi Trios, das mit dem international renommierten italienischen Bassisten Ares Tavolazzi ein betörendes Konzert zum Thema "Zwischen den Welten − Schätze der armenischen Musik" in der Kilianskirche gibt.
Volltönend oder verhalten, in kurzen Wellen, dann wieder ausladend wehen die Klangwellen durchs Kirchenschiff. Ein Klangwind, der übers Meer streicht oder über die Berghänge des Kaukasus. "Brise" heißt Nardis Komposition, die von einer anderen Region erzählt als der hiesigen und doch von dieser Welt ist. Es ist mehr als Musik, was der Komponist, Musiker und Produzent Nardi, der 1979 im toskanischen Pescia geboren wurde und früh den Weg zur Musik des Nahen Ostens fand, an der arabischen Laute Oud zu Gehör bringt.
Die Klänge gleichen einer Erzählung, die sich zusammen mit Le Pera an den Percussions, Tavolazzi am E-Kontrabass und der in Teheran geborenen Flötistin und Pianistin Nazanin Piri zur Unterhaltung wandelt. Weit öffnet sich das Tor in den Orient. Bass und Percussion bilden das Fundament, über dem die Flöte beschwörend ihre Bahn zieht. In ihrer Intensität höchst verführerisch sind auch die Klangdichtungen des griechisch-armenischen Esoterikers George Ivanovich Gurdjieff.
Mit Bass und Rahmentrommel legen Tavolazzi und Le Pera den meditativen Rhythmus vor, in den Piri am Flügel und Nardi an der Oud zarte Melodien einflechten, die an den arabischen Kulturraum denken lassen. "Duduki" wird zum magischen Wüstenritt; im "First Dervish Prayer" vermögen die über die Rahmentrommel fliegende rechte Hand Le Peras, Nardis rasende Tremoli an der Oud und Piris filigrane Flötengirlanden die Sinne anzusprechen und menschliche Empfindungen widerzuspiegeln.
Eine Musik wie aus Tausendundeiner Nacht, die nach Frieden unter den Völkern ruft und, was bei der Stunde der Kirchenmusik selten vorkommt, spontanen Zwischenapplaus hervorruft. Solistisch begeistert Piri mit ihrer Uraufführung "Armenian Waltz", einer zauberhaften Musik zum Tagträumen, deren zarte Gespinste Le Pera mit den Besen sanft verscheucht.
Das Programm, zu dem Pfarrer Simon Günther aus der Verheißung eines endzeitlichen Friedensreichs beim Propheten Micha liest, ist ein Frieden stiftendes. Es demonstriert, wie Musik völkerverbindend wirken kann. Pendelbewegungen auf dem Flügel leiten "Tsirani Tsar" des armenischen Priesters und Sängers Komitas Vardapet ein, zu dem Nardi Glissandi und narrative Fingerpickings beisteuert. Ein Freudentaumel mit gebrochenen Rhythmen ist Aram Khachaturians "Eastern Dance", bei dem deutlich wird, wie sehr das Ensemble auch im Jazz und der Neuen Musik zu Hause ist.
Die Friedensbotschaft kommt an in der gut besuchten Heilbronner Kilianskirche, in der sich die Zuhörer am Ende mit Applaus im Stehen bedanken.