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Museum Würth zeigt Werkschau von Siegfried Anzinger

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Das spielerisch Unfertige: Die Ausstellung "Blick zurück und nach vorn" im Museum Würth in Gaisbach zeigt rund 140 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen des Österreichers Siegfried Anzinger.

Von Claudia Ihlefeld

Eigentlich, hat Siegfried Anzinger einmal gesagt, würde er immer an demselben Bild arbeiten. Das mag auf den ersten Blick irritieren, ist doch das Werk des Österreichers vielseitig und komplex.

Tatsächlich aber zieht sich Anzingers Grundhaltung gegenüber Malerei, seine Gegenständlichkeit und sein leichter, dabei expressiver und souveräner Strich wie ein roter Faden durch sein Schaffen, das das Museum Würth in Gaisbach in diesem konzentrierten Umfang erstmals in Deutschland präsentiert.


 

Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus allen Werkphasen

"Blick zurück und nach vorn" titelt die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden ist und rund 140 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus allen Werkphasen Anzingers seit den 80ern präsentiert.

Seit dieser Zeit ist der Documenta- und Biennale-Teilnehmer in der Sammlung Würth vertreten. Die aktuelle Schau erweitert den Blick nach vorn mit neuen Arbeiten aus dem Atelier des Wahl-Kölners, dem Retrospektiven ein Gräuel sind, und dem das aktuelle Bild immer das wichtigste ist.

Anzinger ist der figürlichen Malerei treu geblieben

Auch wenn er mit unterschiedlichen Materialien und Techniken arbeitet, der figürlichen Malerei ist Siegfried Anzinger, der im oberösterreichischen Weyer 1953 geboren wurde, treu geblieben.

Als ein Mitbegründer der sogenannten Neuen Wilden, die vor knapp 40 Jahren die Malerei gegen Konzeptkunst und Video behaupten und neu beleben, entwickelt er seinen unverkennbar eigenwilligen Stil mit diesem Anzinger-Strich, der sitzt.

Die Themen - Tiere, Madonnen, Schöpfungsgeschichten und erotische Darstellungen - kommen aus der Kunst- und Religionsgeschichte. Und aus der Erinnerung an seine österreichische Heimat, in der barocke Madonnen zum kollektiven Gedächtnis gehören. Nicht mit Pathos, sondern mit einem untrügerischen Gespür für den Menschen und seine Gegenwart und immer auch mit Humor und subtilem Witz erzählen seine Bilder, schaffen Atmosphäre und sind formal genial.

Leimfarbe trocknet schnell und erfordert eine eigene Technik

Wild aufgetragene Ölschichten dominieren frühe Arbeiten wie "Das pissende Kind" und den "Mondgeher" (beide 1982). Die Figuren wie das ganze Bild scheinen in der Farbe zu ertrinken. In den 90er Jahren steigt Siegfried Anzinger auf Leimfarbe um, weil er auf die Lösungsmittel in Acryl und Öl allergisch reagiert. Leimfarbe, eine Wandfarbe, trocknet schnell und erfordert eine eigene Technik.

Samtig matt wie ein Fresko beeindruckt die "Madonna unter dem Bogen" (1995), die, gesichtslos wie alle Anzinger-Figuren, uns nicht anblickt, dafür ganz bei sich ist und ihr widerborstiges Kind im Arm hält. Es ist dieser spannungsreiche Kontrast zwischen klassischem Motiv und frischen Farben des 20. und 21. Jahrhunderts, der Anzinger auszeichnet. Mit der italienischen Malerei hat er sich intensiv auseinandergesetzt, Giotto und Tizian schätzt er als Vorbilder.

Anzinger versetzt seine Figuren in absurde Situationen

Auf dem Bild "Flucht im Gebirge" aus dem Jahr 2018 thront eine Madonna mit Burka auf einem Felsen in der Wüste, in gebührendem Abstand lugt Josef mit einem Turban wie aus 1001 Nacht hervor. Anzinger versetzt seine Figuren in scheinbar absurde Situationen und konterkariert unsere Vorstellung vom Heiligen Hieronymus, vom Indianer, der einen Fels durchschreitet, und von Cowboys, die sich ebenso auf seinen Bildern tummeln wie Löwen, Bullen und Adler.

Wie ein Comic mutet der freundlich chillende "Löwe am farbigen Ast" (2016) an, während man sich bei "Engel mit Drachen (Engelsturz)" (2007) fragt, ob der pastellfarbene Georg den Drachen töten wird oder nicht vom Ast stürzt.

Kleine Terrakottafiguren und in Bronze gegossene Skulpturen

Neben den Gemälden und wunderbar dahin gepinselten Zeichnungen entstehen von Anfang an Plastiken. Kleine Terrakottafiguren wie eine Madonna, die sich unruhig umwendet, oder im großen Format ausgeführte und in Bronze gegossene Skulpturen wie die "Berlinerin" sowie Köpfe und Buddha-Büsten.

Rasch, aber nicht spontan im Sinne von zufällig, arbeitet Anzinger, dessen Werk etwas bewusst Unfertiges anhaftet: das Prinzip des spielerisch-unmittelbaren "non-finito".

Ausstellungseröffnung: Museum Würth, Sonntag, 11 Uhr. Öffnungszeiten bis 13. Oktober: täglich 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei. Katalog: 32 Euro


Zur Person: 1953 in Weyer, Oberösterreich, geboren, studiert Siegfried Anzinger an der Akademie in Wien. 1982 Teilnahme an der Documenta in Kassel, 1988 an der Biennale in Venedig. Seit 1981 lebt der Maler, Zeichner und Plastiker in Köln. Seit 1997 hat er eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Anzinger arbeitet bevorzugt mit der dünnen, transparenten Leimfarbe.

 

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