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Mal eben Gott spielen: Dramenwettbewerb zum Abschluss von Science & Theatre

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"Die Veredelung der Herzen" von Mario Wurmitzer ist Gewinnerstück beim Autorenwettbewerb Science & Theatre. Drei starke Stücke verdichten das Thema "Die Zukunft ist digital!?" bei szenischen Lesungen in der Boxx des Heilbronner Theaters.

Drei Autoren, fünf Juroren: Ian de Toffoli (links), Heiko Buhr und Mario Wurmitzer. Im Hintergrund von links: Theaterintendant Axel Vornam, Festivalleiter Andreas Frane, Alexandra Reichenbach, Professorin für Psychologie und Informatik, Wissenschaftsjournalist Wolfgang Hess, Experimenta-Geschäftsführer Wolfgang Hansch.
Foto: Tina Schulze
Drei Autoren, fünf Juroren: Ian de Toffoli (links), Heiko Buhr und Mario Wurmitzer. Im Hintergrund von links: Theaterintendant Axel Vornam, Festivalleiter Andreas Frane, Alexandra Reichenbach, Professorin für Psychologie und Informatik, Wissenschaftsjournalist Wolfgang Hess, Experimenta-Geschäftsführer Wolfgang Hansch. Foto: Tina Schulze  Foto: Schulze, Tina

Mit dem Gewinnerstück des ersten Dramenwettbewerbs Science & Theatre hatte das gleichnamige Festival begonnen. Mit szenischen Lesungen aus jenen drei Stücken, die jetzt im zweiten Wettbewerb in die Endrunde kamen, ist das Festival nach fünf Tagen am Sonntag zu Ende gegangen.

Lautete das Generalthema des ersten Wettbewerbs "Der optimierte Mensch", gab es nun zu dem von Festivalkurator Andreas Frane gesetzten Motto "Die Zukunft ist digital!?" 25 Einsendungen aus 18 Verlagen und Hochschulen, von Autorinnen und Autoren aus 14 Ländern.

Die Gretchenfrage unserer Gegenwart

Dass die Zukunft digital ist, wird niemand bestreiten. Wie wir damit umgehen mit dieser Zukunft, inwiefern wir sie beherrschen und nicht sie uns dominiert, ist die Gretchenfrage einer Gegenwart, in der Vieles schon Wirklichkeit ist, was an diesem Nachmittag in den Stücken von Mario Wurmitzer, Ian de Toffoli und Heiko Buhr angerissen wird in der Boxx des Heilbronner Theaters.

 


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Mit "Die Veredelung der Herzen" des Österreichers Wurmitzer wählen die vierköpfige Jury und das Publikum, das ebenfalls sein Votum abgibt, eine Beziehungskomödie zum Sieger: eine Farce über das menschliche Streben, Beziehungsglück über die Perfektionierung und Veredelung des Menschen herzustellen - und zu maximieren. Veredelung durch Künstliche Intelligenz, versteht sich. Das mit 5000 Euro dotierte erstplatzierte Drama wird in der Spielzeit 2022/23 im Science Dome uraufgeführt.

Wer trägt Verantwortung?

Aber auch den anderen zwei Stücken, jeweils mit einem Förderpreis von 2000 Euro ausgezeichnet, sind Theater zu wünschen, die sie auf die Bühne bringen. In der Boxx kommen Theater- und Literaturfreunde schon mal in den Genuss konzentriert eingerichteter szenischer Lesungen.

Ian de Toffolis "Human App" lässt vier Wissenschaftler und ein selbstfahrendes Auto, das sprechen und ethische Fragen reflektieren kann, eine kardinale Frage verhandeln: Wer trägt Verantwortung und Schuld, wenn selbstfahrende Systeme einen Unfall verursachen und dabei Menschen töten?

Mit der Software diskutieren

Die Ensemblemitglieder Nils Brück, Pablo Guaneme Pinilla, Sven-Marcel Voss und Judith Raab spielen wechselseitig Für und Wider durch, ob man mit der Software diskutieren kann über einen Widerspruch im System. Oder ob nicht der Programmierer für die Software zu haften hat, selbst wenn sein künstliches Geschöpf längst in der Lage ist, das potenzielle Unfallopfer via Gesichtserkennung zu identifizieren samt Sozialversicherungsnummer und möglichem Strafregister.

Von Reproduktionsmedizin und dem Wunsch nach einem Kind erzählt Heiko Buhr in "Das Glückskind". Nora Rebecca Wolff und Arlen Konietz sind SIE und ER, die nicht ahnen, wie kompliziert es ist, schwanger zu werden, ein gesundes Kind zu bekommen. Und es zu behalten.

 


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"Wir spielen Gott"

Künstliche Befruchtung und künstliche Organe sind nicht neu, doch gibt es nicht Grenzen, wenn es darum geht, Leben zu schaffen und zu retten? "Wir spielen Gott", lehnt ER ihre Bitte ab, mithilfe der Wissenschaft dem trotz oder wegen eines künstlichen Herzens gestorbenen Sohn neues Leben zu schenken.

Wo fängt Gott spielen an, bringt SIE das Dilemma auf den Punkt. Und überhaupt: Ohne Kind fühlt sich die Frau nur als halber Mensch. Mit den Mitteln der Komödie experimentiert Wurmitzers Gewinnerstück und schließt Sprachwitz, den Wunsch nach einem optimalen Partner und Künstliche Intelligenz kurz.

Zlatko Maltar greift den Wurmitzer-Ton munter auf, wenn er sich in der Rolle des verpeilten Institutsleiters einrichtet, der einem Paar (Romy Klötzel/Pablo Guaneme Pinilla) dazu verhilft, den Mann zu einem vorbildlichen Typen zu veredeln.

Qual der Wahl für Jury und Publikum

"Ihr neues Selbst wird Ihnen viel Freude bereiten", prophezeit er dem anfangs Unwilligen. Doch etwas ist schiefgelaufen. Der verbissen neue Ehrgeiz macht ihren Freund zum Vorkämpfer für das Recht auf Veredelung für alle. Sie liebt ihn nicht mehr. Viel Applaus - und die Qual der Wahl für Jury und Publikum.

Der Autor: Mario Wurmitzer, 1992 in Mistelbach, Niederösterreich, geboren, studiert Germanistik und Geschichte in Wien. 2010 erscheint sein Jugendroman "Sechzehn". 2017 wird sein Theaterstück "Werbung Liebe Zuckerwatte" uraufgeführt, 2018 das Drama "Nähe". Im selben Jahr erscheint der Roman "Im Inneren des Klaviers". Für seine literarischen Arbeiten wurde Wurmitzer mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dramatikerstipendium des österreichischen Bundeskanzleramts, dem Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin und dem Osnabrücker Dramatikerpreis. Wurmitzer lebt in Wien und Niederösterreich.

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