Liebe in Zeiten des Krieges: "Ein Sommernachtstraum" feiert Premiere bei den Haller Freilichtspielen
In einer atmosphärisch dichten Inszenierung bringt Regisseur Tom Gerber Shakespeares romantische Komödie "Ein Sommernachtstraum" auf die Bühne im Neuen Globe. Vom Premierenpublikum gibt es dafür viel Applaus.

Warum begehrt ein Mensch einen anderen? Die Frage, nach welchen Gesetzmäßigkeiten wir uns zueinander hingezogen fühlen, fasziniert heute noch genauso wie vor gut 400 Jahren, als William Shakespeare seine romantische Komödie "Ein Sommernachtstraum" schrieb. "Ich hasse ihn und er liebt mich desto mehr", lässt der englische Dramatiker darin etwa eine seiner Figuren klagen. Überhaupt ist beziehungstechnisch einiges zu klären im Verlauf des komplexen Stückes.
Während ein Herrscherpaar kurz vor der Hochzeit steht, befindet sich ein anderes mitten in der Ehekrise, vier junge Menschen - teils ineinander verliebt, teils aufeinander eifersüchtig - rennen davon und sich in die Arme, dazu sorgt ein Kobold mit einer magischen Pflanze für Chaos und eine Gruppe Handwerker versucht sich als Schauspieler.
Ein schriller Luftalarm holt die Liebenden und Träumenden zurück in die "Realität"
Für die Freilichtspiele Schwäbisch Hall inszeniert Regisseur Tom Gerber die munteren Liebesirrungen und -wirrungen im Neuen Globe als kurze Verschnaufpause inmitten eines Krieges: Zu Beginn stolpern Soldaten behelmt, bandagiert und blutbefleckt auf die Bühne, am Ende müssen sich die Pärchen, die gerade zusammengefunden haben, wieder trennen - die Männer ziehen zurück ins Gefecht, schrill tönt ein Luftalarm.
Drei Welten prallen vor dieser bedrückenden Rahmenhandlung aufeinander: die Aristokratie, das Volk und Zauberwesen, Schauplatz ist Athen. Den dortigen Hof zeigen Gerber (auch Bühne) und Jannik Kurz (Kostüme) als martialisch-kühlen Ort voller schwarzgekleideter Anzugträger und -trägerinnen. Die Elfen, Feen und Trolle, die den nahen Wald bevölkern, stecken dagegen in fantasievollen Gewändern aus geflochtenen Ästen, die an Blumen und Insekten erinnern.
Eine Inszenierung mit Seitenhieben gegen das Gendern und Gegenwartssprache
Atmosphärisch dicht ist der Haller "Sommernachtstraum" nicht zuletzt wegen der Bühnenmusik von Komponist Stephan Kraus, der dafür auch Texte von Shakespeares Zeitgenossen John Dowland vertont hat. Zarte, poetische Momente und derbe, anzügliche Erotik halten sich über die Dauer von rund zweieinhalb Stunden - inklusive Pause - die Waage. Gerber hat sich bei den Übersetzungen August Wilhelm Schlegels und Erich Frieds bedient, gegenwärtig klingt seine Fassung, wenn sie das Gendern aufs Korn nimmt, die Figuren etwas "krass" finden oder jemandem eins "in die Fresse hauen".
Das Ensemble zeigt sich bei der Premiere am Freitag bestens aufgelegt, wenngleich an einigen Stellen übertrieben getobt und gewütet wird. Als doppeltes Herrscherpaar - Theseus und Hippolyta sowie Oberon und Titania - stehen Lukas Mundas und Isa Weiß am oberen Ende der Athener wie der Feen-Gesellschaft.
Hilflos sind Demetrius (Jakob Spiegler), Lysander (Atrin Haghdoust), Hermia (Mariam Avaliani) und Helena (Raika Nicolai) den Launen der Liebe ausgeliefert und den Streichen Pucks, den Anna Lisa Grebe als diabolischen Unruhestifter gibt. Und Ulrich Rechenbach als sympathische Rampensau Zettel schart eine lustige Laientheatertruppe um sich (Tabea Scholz, Michael Del Coco, Moritz Fleiter). Viel Applaus vom Publikum.