Kabarettistin Lisa Eckhart in der ausverkauften Harmonie Heilbronn: Klug und bitterböse
Am Donnerstagabend ist Eckhart mit ihrem Programm "Die Vorteile des Lasters" zu Gast in Heilbronn. Die 30-Jährige arbeitet sich zwei Stunden lang bitterböse und klug an den aktuellen Debatten unserer Zeit ab - und überschreitet gezielt Grenzen.

Nein, es ist keine Rechtfertigung und schon gar keine Entschuldigung, die Lisa Eckhart kurz vor Schluss noch loswerden muss: "Das ganze Programm war Satire. Im Moment muss ich das dazu sagen", so die Kabarettistin, die mit ihrer Aussage genüsslich mit der in den letzten Jahren intensiv diskutierten Frage spielt: Was darf Satire und was nicht? Dient sie oft nur als Tarnmantel für Diffamierung und Diskriminierung?
Am Donnerstag war die Österreicherin mit ihrem Programm "Die Vorteile des Lasters" - effekthascherisch mit dem Zusatz "ungenierte Sonderausgabe" versehen - zu Gast in der ausverkauften Harmonie. Es wurde ein Abend der gezielten Grenzgänge.
Diese Frau ist ein Gesamtkunstwerk. Das beginnt beim extravaganten Outfit: In schwarzen Lederleggins und weißer Corsage, mit schwarzen Engelsflügeln auf den Schultern nimmt die 30-Jährige auf einem Barhocker Platz. Keine gesellschaftliche Debatte unserer Zeit, die sie in den folgenden zwei Stunden nicht wenigstens streift - mit der ihr eigenen Melange aus divenhafter Herablassung, galligem Zynismus und gnadenloser Selbstverliebtheit. Klug-maliziös spielt sie mit Klischees über Ethnien und Geschlechter, jongliert mit vermeintlichen Tabus, verhandelt derb, aber nie plump und mit sprachlicher Finesse Themen wie kulturelle Aneignung, Gender-Debatten und Sex im Alter.
Lisa Eckhart spricht über das Leben im Lockdown
Oder sie verliert sich in absurden Gedankenpirouetten, wenn sie beispielsweise erspinnt, dass sie Richard-Wagner-Opern im Ohr auf einem nackten Mulatten reitet. Oder von ihrer Waschmaschine berichtet, die genau drei Waschgänge hat: leicht verschmutzt, stark verschmutzt und ethnische Säuberung. Lisa Eckhart zu deuten, ist keine einfache Aufgabe: Will sie einfach nur provozieren und anecken? Oder speist sich ihr humoristischer Kosmos nicht einfach aus den realen und teils abstrus geführten gesellschaftlichen Diskursen?
"Früher wurden Shows meinetwegen abgesagt, dann kam Corona. Früher war ich der Erreger", sind so vielschichtige Sätze, die Eckhart dann sagt und mit denen sie nicht nur auf die Pandemie anspielt, sondern auch auf die Cancel-Culture-Diskussion und ihren eigenen Fall aus dem Jahr 2020, als sie wegen provokanter und vermeintlich judenfeindlicher Äußerungen vom Hamburger "Harbour Front Literaturfestival" ausgeladen wurde.
Apropos Pandemie. Die habe sie schrullig werden lassen. Ihre Kinder wurden beim Home Schooling - angelehnt an das Milgram-Experiment - mit Elektroschocks malträtiert, mit ihrem Mann habe sie im Lockdown die perfekte Work-Life-Violence gefunden. Stichwort häusliche Gewalt. Auf ihr Geburtsland Österreich kommt die ehemalige Poetry-Slammerin immer wieder zu sprechen. Das Ende von Bundeskanzler Sebastian Kurz? "War irgendwie unbefriedigend. Als wäre Hitler 1945 nur im Bad ausgerutscht." Den Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris 2019 kommentiert sie lapidar: "Unser Nationalsymbol hat auch mal gebrannt. Der Dachstuhl völlig abgefackelt...beim Niki Lauda. Wir haben ihn aber viel kostengünstiger repariert, ihm "ne rote Mütze aufgesetzt und gut ist."
Eckharts Plan eines kaiserlich-kommunistischen Imperiums
Nahtlos geht Eckhart zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über, den sie als Dieb bezeichnet, um dann eine ihrer dramaturgischen Pausen zu lassen, die sie selbst auskostet, das Publikum aber unruhig werden lässt. Witze über die Ukraine, geht das aktuell? Dann ergänzt sie: "Vom Komiker zum Kriegsheld - das sollte mein Weg sein."
Eckhart, die mittlerweile in Leipzig lebt, hat einen Alternativplan: Österreich und Ostdeutschland tun sich zusammen. "Wir sind füreinander geschaffen. Die hatten die Ostmark, wir waren die Ostmark. Wir gründen ein kaiserlich-kommunistisches Imperium." Die neue Kaiserin wird sie freilich selbst - als Mischung aus Stalin und Sisi, kurz Stasi. Der bevorstehende "Putsch" soll auch Thema ihres neuen Programms sein, mit dem Eckhart 2023 auf Tour geht. Langanhaltender Applaus in der Harmonie.
Zur Person: Lisa Eckhart (eigentlich Lisa Lasselsberger) wurde am 6. September 1992 in Leoben in der Steiermark geboren. Sie studierte Germanistik und Slawistik an der Sorbonne Nouvelle in Paris und an der Freien Universität Berlin. Nach dem Studium begann Eckhart, so der Nachname ihres Vaters, mit Poetry-Slam. Im Jahr 2015 gab sie ihr Kabarett-Solodebüt. Als Autorin hat die Österreicherin zwei Romane veröffentlicht: "Omama" (2020) und "Boum" (2022). Eckhart lebt in Leipzig.

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