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Gründer von Genesis und Mike + The Mechanics vor Stuttgart-Konzert: Mike Rutherford lebt für das Schreiben

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Er ist Gründer von Genesis und verkaufte mit Mike + The Mechanics mehr als zehn Millionen Alben: Am 6. Juni kommt Mike Rutherford mit den Mechanics nach Stuttgart in die Liederhalle. Vorab nimmt sich der 72 Jahre alte Gitarrist Zeit für ein Gespräch.

"Je älter man wird, desto ehrlicher wird man zu sich selbst und kritischer", sagt Mike Rutherford (Mitte) von Mike + The Mechanics.
"Je älter man wird, desto ehrlicher wird man zu sich selbst und kritischer", sagt Mike Rutherford (Mitte) von Mike + The Mechanics.  Foto: Patrick Balls

Nein, ein Nebenprojekt ist Mike + The Mechanics für Mike Rutherford nicht. Schließlich verkaufte der Gründer von Genesis mit seiner zweiten Band mehr als zehn Millionen Alben und hatte zahlreiche Hits wie "All I Need Is A Miracle", "Silent Running" oder "Another Cup Of Coffee". Am 6. Juni um 20 Uhr kommt Rutherford mit Mike + The Mechanics auf der "Refueled!"- Tour nach Stuttgart in die Liederhalle.

 

Herr Rutherford, im vergangenen Jahr haben Sie das letzte Konzert mit Genesis in London gespielt. Was ist das für ein Gefühl, zu wissen, dass man nach all den Jahrzehnten in dieser Konstellation nicht mehr auf der Bühne stehen wird?

Mike Rutherford: Das war ein sehr emotionaler Moment und auch ein wenig bizarr. Diese Abschiedstour fühlte sich oft so an, als würde man sich von den einzelnen Städten verabschieden. Ich neige dazu zu vergessen, wie viel die Musik von Genesis einigen Menschen bedeutet. Es ist immer eine Freude, mit Phil Collins und Tony Banks gemeinsam auf der Bühne zu stehen.


Jetzt gehen Sie wieder mit Ihrer zweiten Band Mike + The Mechanics auf Tour. Diese trägt den Untertitel "All The Hits & a drop of Genesis".

Rutherford: Der Fokus liegt klar auf den Songs von Mike + The Mechanics, aber wir reichern die Konzertabende gerne mit einigen Liedern von Genesis an. Die Mischung machts. Aber ich kann versprechen: Wir werden einen Genesis-Song im Gepäck haben, den wir schon lange nicht mehr gespielt haben.


Sie sind über 50 Jahre im Musikgeschäft - mit Genesis, Mike + The Mechanics und als Solokünstler. An welchem Punkt Ihrer Karriere waren Sie musikalisch am zufriedensten?

Rutherford: Das ist eine schwierige Frage. Mir ging und geht es in erster Linie ums Lieder schreiben. Wenn ich antworten müsste, würde ich sagen die 80er und frühen 90er Jahre, mit Genesis und den Mechanics haben wir da einfach unsere besten Songs veröffentlicht.


Einer davon ist der Genesis-Song "Land of Confusion", von Ihnen geschrieben und 1986 veröffentlicht. Das Lied thematisiert das politische Klima von Angst und Aggression und ein drohendes nukleares Inferno. Erstaunliche Parallelen zu heute.

Rutherford: Das stimmt. Erschreckend, dass dieser Titel immer noch so aktuell ist, dass diese Themen zeitlos sind. Ein bizarres Gefühl. Ich könnte mir auch vorstellen einen Song über den Krieg in der Ukraine zu schreiben. Manchmal sind die besten Lieder die, bei denen einem die Botschaft nicht direkt ins Gesicht springt, die eine unterschwellige Botschaft haben, nicht die Moralkeule schwingen. So ein Song ist auch "Land of Confusion".


Wird das Songschreiben mit fortschreitendem Alter einfacher?

Rutherford: Überhaupt nicht. Je älter man wird, desto ehrlicher wird man zu sich selbst und kritischer. Mir macht das Songschreiben aber immer noch Spaß und inzwischen weiß ich genau, wenn etwas an einem Song nicht stimmt. Ich sehe mich im Grunde als Songwriter, der gut genug Gitarre spielt, damit es für die Bühne reicht. Aber ich bin keiner, der lebt, um auf der Bühne zu stehen. Ich lebe für das Schreiben - das ist meine eigentliche Herausforderung. Wenn ich für mein Gitarrenspiel kritisiert werde, habe ich nichts dagegen, wenn es gegen mein Songwriting geht, schon.


Mit dabei bei der aktuellen Mike + The Mechanics-Tour ist auch Nic Collins, Sohn von Phil Collins.

Rutherford: Ein frisches Gesicht bringt immer neue Energie in eine Bandstruktur. Er ist jung, talentiert und hat eine etwas andere Art Schlagzeug zu spielen.


Spielt er besser als sein Vater?

Rutherford: Er spielt anders (lacht). Ich würde sie nicht miteinander vergleichen.


Apropos Vater, Musik und Familie waren in Ihrem Leben schon immer eng miteinander verbunden. Welchen Einfluss hatte Ihr Vater, ein Marineoffizier, auf Ihre Karriere?

Rutherford: Auf meine Musik hatte er keinen Einfluss, auf meine Karriere schon eher. Meine Eltern haben mir mein erstes Instrument gekauft, es war eine sechssaitige Nylon-Gitarre, sie nahmen mich zu meinem ersten Konzert, zu Cliff Richard. Als ich die Schule verließ und mit der Band startete, hatte ich Haare bis zum Hintern. Mein Vater war skeptisch, dass ich mit Genesis Erfolg haben könnte, er dachte, es würde nicht lange halten. Trotzdem gab er mir grünes Licht es zu probieren, das war mutig. Heute ist das anders, viele Eltern ermutigen ihre Kinder dazu den Weg einer Musikkarriere einzuschlagen. Mein Vater starb im Jahr 1986, er hat noch miterlebt, dass wir mit der Band Erfolg hatten.


Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?

Rutherford: Er war ein sehr netter Mann, aber die Generation meiner Eltern redete wenig. Man konnte sich wenig unterhalten, hat wenig miteinander kommuniziert, konnte also wenig miteinander teilen. Das ist natürlich sehr schade. Sie haben zwei Weltkriege erlebt, meine Generation ist mit Veränderungen aufgewachsen. Auch musikalisch, mit den Beatles und einer Jugendkultur.


Das letzte Album von Mike + The Mechanics "Out Of The Blue" erschien im Jahr 2009. Können die Fans bald neue Musik erwarten?

Rutherford: Ich habe in den vergangenen Jahren nicht viel geschrieben. Ich war mit Genesis auf großer Tournee und die Corona-Zeit war sehr seltsam. Aber ich habe mir vorgenommen, im kommenden Jahr einige Songs zu schreiben. Und dann mal sehen, was passiert.

Konzert in Stuttgart: Dienstag, 6. Juni, Liederhalle, 20 Uhr, Tickets ab 55 Euro bei allen Vorverkaufsstellen und unter www.eventim.de.

Zur Person: Mike Rutherford wurde am 2. Oktober 1950 im britischen Guildford geboren. Er war Mitgründer der Schülerband Anon, die später in Genesis aufging. Von 1969 bis 1997 produzierten Genesis zahlreiche erfolgreiche Platten, bei denen Rutherford oft als Songwriter mittätig war. Er veröffentlichte in den 80er Jahren zwei Soloalben und gründete 1985 die Band Mike + The Mechanics. Rutherford ist seit 1976 mit Angie Rutherford, einer ehemaligen Dressurreiterin, verheiratet und lebt in Chiddingfold in Südengland.

 

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