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Eine Welt voller Inspiration: "Alice im Wunderland" am Theater Heilbronn

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Toto stattet seit Jahren das Weihnachtsmärchen am Heilbronner Theater aus und ist für die opulenten Kostüme und die detailverliebte Bühne verantwortlich. Warum es keiner vorgefertigter Bilder bedarf und wir alle das Kind in uns pflegen sollten.

Seidensamt, Tüll, Leder und andere komplizierte Stoffe, aus denen Theaterträume sind: Toto möchte mit der Ausstattung den Zauber eines Stückes weitergeben.
Seidensamt, Tüll, Leder und andere komplizierte Stoffe, aus denen Theaterträume sind: Toto möchte mit der Ausstattung den Zauber eines Stückes weitergeben.  Foto: Mario Berger

Eine Zeitreise nennt Toto das Weihnachtsmärchen und plädiert dafür, „das Kind in sich zu pflegen“. Noch lieber spricht er von Familienstück: ein Stück Theater als „Urlaub vom Alltag für die ganze Familie in der dunklen Zeit“.

Seit Jahren ist Toto Ausstatter des Weihnachtsstücks am Heilbronner Theater. Entwirft Kostüme und Bühnenbild, ist Couturier und Architekt in einem. Nicht, dass Toto ausschließlich Theater für Kinder macht. Gerade arbeitet er wieder an der Oper Dortmund, nach Heilbronn wird Toto zurückkehren für die Kostüme von Dürrenmatts „Die Physiker“ und Mozarts „Le nozze di Figaro“. Bei der Ausstattung am Theater, „da mache ich keine Unterschiede“.


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"Toto ist ein Lebensprojekt"

„Besser, man hat keine vorgefertigten Bilder im Kopf“, sagt der Mann, den alle nur Toto nennen. Toto? Das hat sich so ergeben vor Jahren, seinen bürgerlichen Namen, den er nicht preisgibt, verwendet er ausschließlich für amtliche Belange. „Toto ist ein Lebensprojekt“, sagt der gebürtige Magdeburger.

Studiert hat er an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, seit 2000 arbeitet er freischaffend, an der Volksbühne Berlin, dem Staatstheater Stuttgart, in Nürnberg, Brauchschweig, Weimar, Wien und anderswo.

Den Reiz, das Familienstück auszustatten, das fast jedes Theater der Republik zum Ende eines Jahres bietet, bringt Toto auf den Punkt. „Freude verhandeln.“ Und führt dann seine Herzensangelegenheit doch weiter aus: „Eine Produktion schaffen, die junge Menschen aus verschiedenen Kulturen eint, die vielleicht erstmals in ein Theater gehen.“ Nicht überpädagogisch soll das Ganze sein, lieber spielerisch-pädagogisch.


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Mit dem Wissen um die Wirkung von Materialien

Den optischen Rahmen, die opulente Fülle an Bildern, so sein Anspruch, will Toto nicht nachahmen, „sondern aus dem eigenen Kosmos schöpfen, einer Welt voller Inspirationen im Kopf“. Und so hat er jetzt – nach „Der Räuber Hotzenplotz“, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „Das Dschungelbuch“, „Pinocchio“ und mehr am Heilbronner Theater – mit der Kraft der Fantasie und dem Wissen um den Umgang mit Materialien und deren Wirkung „Alice im Wunderland“ nachgerade haptisch illustriert.

Lewis Carrolls Fiktion von 1865 ist ein Klassiker der Weltliteratur und des literarischen Nonsens. Mehr als ein Kinderbuch, erfuhr „Alice“ zahlreiche literarische Adaptionen, wurde verfilmt, inspirierte Pop, Jazz, Oper, Ballett und Theater.


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Dabei ist Toto, Jahrgang 1961, nicht „Alice sozialisiert“, wie er sagt. Eher mit Michel von Lönneberga und der Augsburger Puppenkiste groß geworden, „gibt es nur eine wirkliche Heldin in meinem Leben. Pippi Langstrumpf, die Patriotin fürs Möglichmachen und für Gerechtigkeit“. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Bühne verströmt die Aura einer Zirkuswelt

Wer „Alice im Wunderland“ sieht, dürfte gefangen sein von der Raffinesse des im Grunde einfachen Bühnenbildes in der Manier einer barocken Guckkastenbühne.

Die detailverliebte Ausstattung von Toto besticht durch pure Fantasie, das Mitwirken aller Theatergewerke. Und verzichtet auf Film und Video zugunsten opulenter Stoffe. Bis auf Leonie Berner als burschikose Alice in Turnschuhen, stecken alle in übergroßen Clownsschuhen und bizarren Gewändern.

Totos Bühne verströmt die Aura einer Zirkuswelt: zwischen den Kino-Traumsequenzen eines Federico Fellini und Tim Burton. Dazu eine Prise Alice Cooper, The Tiger Lillies und Monty Python. Sechs Schauspieler schlüpfen in 20 Rollen, für die Toto individuelle Kostüme schneidern ließ. Wie ein Op-Art-Bild dreht sich der kaleidoskopartige Boden der Bühne.

"Das ist dann große Oper"

„Das ist dann große Oper“, schwärmt Toto und betont das Zusammenspiel mit der Regie und der Musik, die seine Bilder aufgreifen. Und vor allem mit der Kostümabteilung: mit den zwei Gewandmeistern, einem frischen Landessieger als Gesellen, einer Maßschneidermeisterin, vier Maßschneiderinnen, drei Garderobieren, einer Assistentin.

Das Prozedere: Toto zeichnet eine Figurine und „bemustert“ sie. Daraus fertigen die Gewandmeister den Schnitt. Toto selbst hat Stoffe dabei, auch Chargen, die nicht mehr im Handel sind. Bei aller Teamarbeit, das letzte Wort behält er. „Humpty Dumpty, bitte weißer“, entscheidet Toto knapp, als er das knuffige Stoff-Ei präsentiert bekommt in der Kostümabteilung.

Zur Person: 1961 in Magdeburg geboren, studierte Toto an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und arbeitet als freischaffender Kostüm- und Bühnenbildner unter anderem in Berlin, Stuttgart, Nürnberg, Weimar, Wien, Braunschweig und Regensburg. In Heilbronn stattet Toto seit vielen Jahren das Weihnachtsstück aus. Toto ist zudem Dozent an der Universität der Kün- ste in Berlin und lebt an der Ostsee. Den Namen Toto – eine Art Lebensprojekt, an das er sich gewöhnt hat, – trägt er seit Jahren. Auch, weil er an die Redefigur pars pro toto erinnert: Wenn ein Teil für das Ganze steht.

Weitere Infos unter www.theater-heilbronn.de/

 

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