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Authentische und unverbildete Kunstwerke

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Weinsberg - Als der Heidelberger Kunsthistoriker, Arzt und Psychotherapeut Hans Prinzhorn 1922 sein Buch "Bildnerei der Geisteskranken" veröffentlichte, erlangte es Kultstatus. Die surrealistischen Künstler in Paris reichten es untereinander von Hand zu Hand. In seinem Buch widmet Prinzhorn dem Patienten und Künstler August Klett zwei Farbtafeln.

Von Martina Kitzing-Bretz

August Klett: "Friedrich Schiller" aus dem Jahr 1924.Foto: Martina Kitzing-Bretz
August Klett: "Friedrich Schiller" aus dem Jahr 1924.Foto: Martina Kitzing-Bretz

Weinsberg - Als der Heidelberger Kunsthistoriker, Arzt und Psychotherapeut Hans Prinzhorn 1922 sein Buch "Bildnerei der Geisteskranken" veröffentlichte, erlangte es Kultstatus. Die surrealistischen Künstler in Paris reichten es untereinander von Hand zu Hand. In seinem Buch widmet Prinzhorn dem Patienten und Künstler August Klett zwei Farbtafeln.

Art Brut

Geboren wohl 1864 in Heilbronn und gestorben 1928 in der "Königlichen Heilanstalt Weinsberg", wo er seit 1903 in psychiatrischer Behandlung war, wird August Klett jetzt als Künstler im Klinikum am Weissenhof vorgestellt. Mit seinen Bildschöpfungen zählt der Künstler zur Outsider-Art, zu einer Kunst, die unabhängig von einer Rezeption und ohne professionelle Schulung entstanden ist.

Diese unverbildete Art von Kunst wurde von Jean Dubuffet Art Brut (Rohe Kunst) genannt und erfreut sich dank ihrer Authentizität in der Moderne großer Beliebtheit. Der autistische, zu Wutausbrüchen neigende, manisch-depressive Patient August Klett beginnt früh zu zeichnen. Auf einfachem Material wie Aktenpapier reiht er Figuren aneinander, bis das Blatt regelrecht "zugewuchert" ist. Diese Bleistiftzeichnungen malt er mit Wasserfarben und Buntstift aus. Zu den Zeichnungen gehören handgeschriebene Texte, denen in der Ausstellung Transkriptionen in Maschinenschrift beigefügt sind. Wort und Bild fügen sich zu Kombinationen zusammen, deren Reiz schon die Dadaisten und Surrealisten erkannten.

Wortschöpfungen

Die Texte von August Klett enthalten Wortungetüme wie "Phosphorfruchtknotenblausäureeiskornkälte", die ihre Entsprechung in der Addition und Wiederholung von Motiven in den Bildern haben. Die Wortschöpfung "Kaminfegerschnee" dient als Titel für eine Darstellung, die auf himmelblauem Untergrund Chimären und Spukgestalten zeigt. Vogelwesen und menschliche Masken tanzen wie Schneeflocken in der Luft und stellen mit ihrem Weiß und Schwarz die Verbindung zum Bildtitel her.

Der zeitgenössische Leipziger Komponist Steffen Schleiermacher ist so fasziniert von Kletts Texten und Bildern, dass er sich von ihnen zu eigenen Werken inspirieren lässt. So erfährt der Künstler eine Wertschätzung auch von musikalischer Seite, nachdem bildende Künstler wie Dubuffet ihn bereits positiv bewertet haben.

Die Ausstellung im Klinikum am Weissenhof geht bis 12. November.

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