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Eppinger Bauern-Rebell ist am Ziel

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Karlsruhe/Eppingen - Bauer Georg Heitlinger aus Eppingen-Rohrbach ist Herr über 40.000 Hühner. Der Absatzfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft ist Herr über annähernd 100 Millionen Euro Beitragseinnahmen im Jahr. Oder besser: Er war es. Mit seiner Klage hat der Bauern-Rebell aus dem Kraichgau das System des staatlich organisierten Agrarmarketings zum Einsturz gebracht.

Von Alexander Hettich
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Bauern-Rebell": Georg Heitlinger klagte in Karlsruhe erfolgreich gegen die CMA-Werbung. Foto: Alexander Hettich

Karlsruhe/Eppingen - Bauer Georg Heitlinger aus Eppingen-Rohrbach ist Herr über 40.000 Hühner. Der Absatzfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft ist Herr über annähernd 100 Millionen Euro Beitragseinnahmen im Jahr. Oder besser: Er war es. Mit seiner Klage hat der Bauern-Rebell aus dem Kraichgau das System des staatlich organisierten Agrarmarketings zum Einsturz gebracht. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Zwangsabgaben der Bauern für verfassungswidrig erklärt. Damit darf nun auch die Werbung unter dem Motto „Bestes vom Bauern“ nicht mehr aus Pflichtbeiträgen bezahlt werden. Viele Landwirte können mit Rückzahlungen rechnen. Ausgiebig zelebrierte der Bauern-Rebell das „Urteil gegen die Lobby“. Vertreter der Marketingorganisationen sprachen von einem „schwarzen Tag für die Landwirtschaft“.

Käseecke kontra Lobby

Der Mann versteht etwas von Showeffekten. Während die Spitzen der deutschen Agrar-Lobby, unter ihnen Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, das Urteil im Karlsruher Gerichtssaal mit bitterer Miene verdauen, hält Georg Heitlinger fröhlich einen schwarzen Elektroschalter in die Fernsehkameras. „Der Letzte macht das Licht aus“, stimmt der Geflügelhalter den Abgesang auf die Zentralvermarktung landwirtschaftlicher Produkte an. Und in der Tat sind die Auswirkungen beträchtlich.

Der 1969 per Gesetz eingeführte Absatzfonds treibt von 380.000 Landwirtschaftsbetrieben Beiträge ein und hat die Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Agrarprodukte zu verbessern. Von den rund 97 Millionen Euro Einnahmen fließt ein Großteil in die Kasse der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) in Bonn, die vor allem durch Slogans wie „Bestes vom Bauern“ oder „Die Milch macht's“ auf sich aufmerksam machte.




Derlei Kampagnen sind Heitlinger, der die Werbeaktivitäten mit 3500 Euro im Jahr sponsern muss, ein Dorn im Auge. „Ich hätte das Geld auch verbrennen können, dann hätte ich es wenigstens warm gehabt.“ Drei Unternehmer hatten gegen die Beiträge geklagt, aber Heitlinger wurde allein zum Gesicht des Protests. Bei der Verhandlung im September hatte er eine Käseecke gezückt, die den Schriftzug „Allgäuer Käse“ trägt, aber aus Polen stamme. Für den Kläger der Beweis, dass im System der Absatzförderung nicht diejenigen profitieren, die die Zeche zahlen. Wenn die Werbung die Taschen der Bauern in Nachbarländern fülle, so die Argumentation von Heitlingers Anwälten, sei „Trittbrettfahrern“ Tür und Tor geöffnet. Das Verfassungsgericht findet schließlich eine ganze Reihe Gründe, den Pflichtbeiträgen ein Ende zu setzen, bei denen es sich um eine „unzulässige Sonderabgabe“ handele.

Unter anderem habe sich die Wettbewerbssituation deutscher Agrarprodukte seit 1990 verbessert, eine staatlich verordnete Förderung sei also kaum noch nötig. Mittlerweile hat auch der Europäische Gerichtshof solcher Werbung, die mit der Herkunftsbezeichnung lockt, einen Riegel vorgeschoben. CMA-Slogans wie „Markenqualität aus deutschen Landen“ sind seit einem Urteil aus dem Jahr 2002 nicht mehr zulässig. Spätestens da habe die Reklame vollends ihren Sinn verloren, findet Heitlinger.

Der Eppinger betreibt seit Jahren seine Kampagne gegen die Bauernlobby. Hunderte Arbeitsstunden hat er nach eigenem Bekunden in den Kampf gegen die Organisationen investiert. Drei dicke Aktenordner mit Schriftstücken zum Verfahren hat er im Büro stehen. Im Internet warb Heitlinger mit markigen Worten dafür, den Absatzfonds schnellstens abzuschaffen. Die Vertreter des Zentralmarketings haben die Breitseiten aus dem Kraichgau stets sachlich kommentiert und sich nie zu einer Schlammschlacht hinreißen lassen. Vielleicht auch im Gefühl, dass ihnen der Rebell ohnehin nichts anhaben kann.

Am Dienstag sind sie bemüht, die Scherben aufzukehren. „Das ist ein schwarzer Tag für die Landwirtschaft“, kommentiert CMA-Geschäftsführer Markus Kraus.

CMA, was nun?

Trotzdem wisse er, dass die Wirtschaft hinter ihm stehe. Denkbar ist, dass die Agrarwerbung etwa als Verein weiterbetrieben wird. Dann, als private Organisation, dürfe die CMA auch wieder nach Herzenslust für Markenqualität aus Deutschland werben, sieht Kraus eine Chance. Georg Heitlinger wird dem Verein, so es ihn denn gibt, wohl fernbleiben. „Der Herr Kraus macht ja keine schlechte Arbeit“, konzediert er. Die Werbung für Eier vom Heitlinger-Hof will er trotzdem lieber selbst in die Hand nehmen. Als Startkapital gibt es dafür wohl 15 000 Euro vom Absatzfonds zurück. „Um das Geld allein ging es aber nie“, beteuert der Rohrbacher. Es ging um das Prinzip. Und ein bisschen darum, der mächtigen Organisation eins auszuwischen.

Wer ihm geholfen hat, vergisst Heitlinger nicht. Er sei heute aus der CDU ausgetreten, sagt der 38-jährige noch im Gerichtssaal, die Partei habe ihn nicht ausreichend unterstützt. Er wolle seinen Eppinger Gemeinderatssitz zurückgeben und der FDP beitreten. Hinter ihm steht Dr. Edmund Peter Geisen, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, und freut sich über die Schützenhilfe. So dreht der Bauernrebell aus dem 1600-Einwohner-Dorf Rohrbach auch noch ein wenig am großen politischen Rad.



Stichwort: Absatzförderungsfonds

Der Absatzförderungsfonds der Land- und Ernährungswirtschaft als Anstalt des öffentlichen Rechts wurde 1969 gegründet, um deutsche landwirtschaftliche Produkte im Wettbewerb zu stärken. Er nahm 2007 laut Tätigkeitsbericht 97,3 Millionen Euro an Pflichtbeiträgen von den Betrieben ein, die zum Großteil an die CMA flossen. ah




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Kommentare

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am 13.02.2009 11:56 Uhr

Georg Heitlinger geht seinen Weg unbeirrt weiter. Richtig und Konsequent ist nun die Werbegemeinschaft. Hier können alle Mitglieder sich demokratisch einbringen und aktiv mitgestallten. Nun können die "Eierproduzenten" (finde das Wort blöd da die Hüner die Eier legen und die Züchter bzw. Halter diese dann vermarkten) für Ihr Produkt werben und müssen eben nicht für Alle anderen mitbezahlen. Doch diese Unabhängigkiet hat auch seine Gefahren. Trittbrettfahrer — Dass es sie gibt ist eine schlechte Erscheinung unserer Zeit - Ich finde es Unlauter doch hat sich gezeigt, dass eine strafrechtliche Verfolgung kaum erfolg zeitigt.
Herr Heitlinger machen Sie bitte weiter so - Wir Verbraucher sind es nun die entscheiden woher wir unsere Eier beziehen und da ist die beste Werbung immer noch der persönliche Kontakt zum Anbieter.

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am 04.02.2009 08:23 Uhr

Schön, dass es noch Mitmenschen gibt, die der Vorschriften- und Verbotsmanie unserer Politiker etwas entgegensetzen, auch wenn es Zeit, Geld und Durchhaltevermögen kostet.
Ich beglückwünsche Herrn Heitlinger zu seinem Erfolg.
Leider lauern in den Schubladen unserer Volkstäuscher noch jede Menge Unsinnigkeiten.
MfG

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Thomas Barth am 04.02.2009 09:53 Uhr

Es wird wirklich Zeit, daß auch die IHK und die BG mal etwas in ihre Schranken gewiesen werden. Unsere Beiträge dienen doch größtenteils nur dazu, die Verwaltung dieser Organisationen zu finanzieren. Für den Einzelnen bleibt unterm Strich nicht viel übrig.
Ähnlich geht es ja auch bei den Krankenkassen zu. Da geht auch das Meiste für die Verwaltung drauf, für die Ärzte und Patienten bleibt da nicht viel. Nur die Beitragserhöhungen.

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am 04.02.2009 07:45 Uhr

Bauern-Rebell ist zwar BILD-"Zeitungs"-Slang, aber: vielleicht gibts ja bald mal einen IHK-Rebell? grinsen

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am 03.02.2009 20:36 Uhr

Die Bauern müssen nicht mehr für „Bestes vom Bauern“ bezahlen. Vor dem Bundesverfassungsgericht ging es nicht um die Qualität solcher Werbesprüche, mit denen der Absatz landwirtschaftlicher Produkte angekurbelt werden soll. Im Fokus stand die Finanzierung eines Systems, das vor 40 Jahren aus der Taufe gehoben wurde.

Seither werden die Bauern von staatlichen Werbemaßnahmen zwangsbeglückt. Karlsruhe hat hier einen Riegel vorgeschoben. Die obersten Richter tun gut daran, die Grenzen für die Zulässigkeit solcher Sonderabgaben eng zu ziehen. Schließlich ist die Abgabenlast beträchtlich.

Wenn bestimmte Berufsgruppen darüber hinaus einen Obolus entrichten sollen, müssen sie auch einen nachweisbaren Nutzen haben. Explizit mit dem Label „Markenqualität aus Deutschland“ darf die CMA schon lange nicht mehr werben, weil sie sonst gegen EU-Recht verstieße. Zu Recht fragen die Kläger, warum sie für Reklame zahlen sollen, die Kollegen in Frankreich oder Polen ebenso zugutekommt. So gesehen war der Karlsruher Spruch ein Sieg der Vernunft. Gegner anderer gesetzlicher Pflichtbeiträge, etwa für die Industrie- und Handelskammern, mögen jetzt Morgenluft wittern. Die Richter sind jedoch sehr detailliert auf die spezielle Situation der Agrarwirtschaft eingegangen. Eine grundsätzliche Absage haben sie Sonderabgaben nicht erteilt.

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Walter Müller am 03.02.2009 20:04 Uhr

spiegel-bericht

steht einiges drin, wieso die CMA so kritisch gesehen wurde.

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Walter Müller am 03.02.2009 19:19 Uhr

als nächstes bitte die GEZ abschaffen, ist auch eine quasi steuer.

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am 03.02.2009 16:36 Uhr

Gratulation zum Sieg.Keine Zwangsabgeben mehr!!!

Wird die Milch jetzt billiger?

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am 03.02.2009 15:03 Uhr

Nieder mit dem Zwangsbeitrag,
vielleicht ist noch mehr Freiheit da !!

Warte ,warte noch ein Weilchen, dann ist auch IHK dran,
mit dem gesparten baren werden wir in Urlaub fahren !!

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am 03.02.2009 13:42 Uhr

Der Schreiber vor mir hat vollkommen Recht, nicht zu vergessen auch die Sektsteuer, den die stammt noch aus Kaisers Zeiten!

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am 03.02.2009 16:39 Uhr

zur Finanzierung des Kaisers Marine!
Steuern und Abgaben, die einmal eingeführt wurden, werden wir so schnell nicht wieder los.
Unsere gewählten und allseits beliebten "Volksdeputierten" haben da das Sagen.

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am 03.02.2009 12:51 Uhr

Es wird Zeit, dass alte Zöpfe abgeschnitten werden.
Was zu einer Zeit evtl. noch in Ordnung uns sinnvoll war muß einer Überprüfung standahlten und ggf. auch abgeschafft werden. Ich gratuliere zu dem Sieg! Es ist ein Unding was alles von seiten der Politik und Verwaltung "geregelt" wird. Hier ist es die Zwangsabgabe für die CMA dort für die ZMP und wie sieht es aus mit den "Zwangsmitgliedsbeiträgen" zu Innungen oder Handelskammern oder Berufsgenossenschaften aus?
Oder um das Fass ganz zu öffnen was ist mit Soli, Wasserpfenning (Cent) und Kollegen.
Es wird Zeit, dass all diese Dinge auf den Prüfstand kommen und zwar ohne dass ein Betroffener klagen muß — unsere Gerichte sind schon ausgelastet genug.

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