Eppinger Bauern-Rebell ist am Ziel
Karlsruhe/Eppingen - Bauer Georg Heitlinger aus Eppingen-Rohrbach ist Herr über 40.000 Hühner. Der Absatzfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft ist Herr über annähernd 100 Millionen Euro Beitragseinnahmen im Jahr. Oder besser: Er war es. Mit seiner Klage hat der Bauern-Rebell aus dem Kraichgau das System des staatlich organisierten Agrarmarketings zum Einsturz gebracht.

Karlsruhe/Eppingen - Bauer Georg Heitlinger aus Eppingen-Rohrbach ist Herr über 40.000 Hühner. Der Absatzfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft ist Herr über annähernd 100 Millionen Euro Beitragseinnahmen im Jahr. Oder besser: Er war es. Mit seiner Klage hat der Bauern-Rebell aus dem Kraichgau das System des staatlich organisierten Agrarmarketings zum Einsturz gebracht. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Zwangsabgaben der Bauern für verfassungswidrig erklärt. Damit darf nun auch die Werbung unter dem Motto „Bestes vom Bauern“ nicht mehr aus Pflichtbeiträgen bezahlt werden. Viele Landwirte können mit Rückzahlungen rechnen. Ausgiebig zelebrierte der Bauern-Rebell das „Urteil gegen die Lobby“. Vertreter der Marketingorganisationen sprachen von einem „schwarzen Tag für die Landwirtschaft“.
Käseecke kontra Lobby
Der Mann versteht etwas von Showeffekten. Während die Spitzen der deutschen Agrar-Lobby, unter ihnen Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, das Urteil im Karlsruher Gerichtssaal mit bitterer Miene verdauen, hält Georg Heitlinger fröhlich einen schwarzen Elektroschalter in die Fernsehkameras. „Der Letzte macht das Licht aus“, stimmt der Geflügelhalter den Abgesang auf die Zentralvermarktung landwirtschaftlicher Produkte an. Und in der Tat sind die Auswirkungen beträchtlich.
Der 1969 per Gesetz eingeführte Absatzfonds treibt von 380.000 Landwirtschaftsbetrieben Beiträge ein und hat die Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Agrarprodukte zu verbessern. Von den rund 97 Millionen Euro Einnahmen fließt ein Großteil in die Kasse der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) in Bonn, die vor allem durch Slogans wie „Bestes vom Bauern“ oder „Die Milch macht's“ auf sich aufmerksam machte.
Derlei Kampagnen sind Heitlinger, der die Werbeaktivitäten mit 3500 Euro im Jahr sponsern muss, ein Dorn im Auge. „Ich hätte das Geld auch verbrennen können, dann hätte ich es wenigstens warm gehabt.“ Drei Unternehmer hatten gegen die Beiträge geklagt, aber Heitlinger wurde allein zum Gesicht des Protests. Bei der Verhandlung im September hatte er eine Käseecke gezückt, die den Schriftzug „Allgäuer Käse“ trägt, aber aus Polen stamme. Für den Kläger der Beweis, dass im System der Absatzförderung nicht diejenigen profitieren, die die Zeche zahlen. Wenn die Werbung die Taschen der Bauern in Nachbarländern fülle, so die Argumentation von Heitlingers Anwälten, sei „Trittbrettfahrern“ Tür und Tor geöffnet. Das Verfassungsgericht findet schließlich eine ganze Reihe Gründe, den Pflichtbeiträgen ein Ende zu setzen, bei denen es sich um eine „unzulässige Sonderabgabe“ handele.
Unter anderem habe sich die Wettbewerbssituation deutscher Agrarprodukte seit 1990 verbessert, eine staatlich verordnete Förderung sei also kaum noch nötig. Mittlerweile hat auch der Europäische Gerichtshof solcher Werbung, die mit der Herkunftsbezeichnung lockt, einen Riegel vorgeschoben. CMA-Slogans wie „Markenqualität aus deutschen Landen“ sind seit einem Urteil aus dem Jahr 2002 nicht mehr zulässig. Spätestens da habe die Reklame vollends ihren Sinn verloren, findet Heitlinger.
Der Eppinger betreibt seit Jahren seine Kampagne gegen die Bauernlobby. Hunderte Arbeitsstunden hat er nach eigenem Bekunden in den Kampf gegen die Organisationen investiert. Drei dicke Aktenordner mit Schriftstücken zum Verfahren hat er im Büro stehen. Im Internet warb Heitlinger mit markigen Worten dafür, den Absatzfonds schnellstens abzuschaffen. Die Vertreter des Zentralmarketings haben die Breitseiten aus dem Kraichgau stets sachlich kommentiert und sich nie zu einer Schlammschlacht hinreißen lassen. Vielleicht auch im Gefühl, dass ihnen der Rebell ohnehin nichts anhaben kann.
Am Dienstag sind sie bemüht, die Scherben aufzukehren. „Das ist ein schwarzer Tag für die Landwirtschaft“, kommentiert CMA-Geschäftsführer Markus Kraus.
CMA, was nun?
Trotzdem wisse er, dass die Wirtschaft hinter ihm stehe. Denkbar ist, dass die Agrarwerbung etwa als Verein weiterbetrieben wird. Dann, als private Organisation, dürfe die CMA auch wieder nach Herzenslust für Markenqualität aus Deutschland werben, sieht Kraus eine Chance. Georg Heitlinger wird dem Verein, so es ihn denn gibt, wohl fernbleiben. „Der Herr Kraus macht ja keine schlechte Arbeit“, konzediert er. Die Werbung für Eier vom Heitlinger-Hof will er trotzdem lieber selbst in die Hand nehmen. Als Startkapital gibt es dafür wohl 15 000 Euro vom Absatzfonds zurück. „Um das Geld allein ging es aber nie“, beteuert der Rohrbacher. Es ging um das Prinzip. Und ein bisschen darum, der mächtigen Organisation eins auszuwischen.
Wer ihm geholfen hat, vergisst Heitlinger nicht. Er sei heute aus der CDU ausgetreten, sagt der 38-jährige noch im Gerichtssaal, die Partei habe ihn nicht ausreichend unterstützt. Er wolle seinen Eppinger Gemeinderatssitz zurückgeben und der FDP beitreten. Hinter ihm steht Dr. Edmund Peter Geisen, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, und freut sich über die Schützenhilfe. So dreht der Bauernrebell aus dem 1600-Einwohner-Dorf Rohrbach auch noch ein wenig am großen politischen Rad.
Der Absatzförderungsfonds der Land- und Ernährungswirtschaft als Anstalt des öffentlichen Rechts wurde 1969 gegründet, um deutsche landwirtschaftliche Produkte im Wettbewerb zu stärken. Er nahm 2007 laut Tätigkeitsbericht 97,3 Millionen Euro an Pflichtbeiträgen von den Betrieben ein, die zum Großteil an die CMA flossen. ah