Niedernhaller Bürger sollen Seniorenheim bauen
Die Stadt Niedernhall favorisiert Bürger-Genossenschaftsmodell für den Bau des neuen Seniorenzentrums. Dieses Konzept wäre ein Novum im Hohenlohekreis. Wie genau das umgesetzt werden soll, darum ging es im Gemeinderat.

Was bei Freiflächen-Solaranlagen und Windrädern längst Schule macht, hat im Seniorenwohnbau noch nicht Fuß gefasst: eine Bürgergenossenschaft als Investor und Bauherr. Genau das möchte die Stadt Niedernhall nun aber verwirklichen. Es wäre ein Novum im Hohenlohekreis. Mit dem ASB Heilbronn-Franken steht auch schon ein Betreiber in den Startlöchern, der das Konzept mitträgt. Entstehen soll das Seniorenzentrum im Bereich des Recyclinghofs. Dieser wird neben den städtischen Bauhof umziehen (wir berichteten).
„Es ist ungewöhnlich, aber das finde ich besonders spannend“, sagt Bürgermeister Achim Beck zu dem Pilotprojekt. Etwas Vergleichbares sei ihm nicht bekannt. „Wir gehen das mit Begeisterung an, dann werden wir das hinkriegen“, ist der Stadtchef sicher. Es komme vor allem darauf an, dass sich möglichst viele Bürger einbringen. Durch das genossenschaftliche Konzept hoffe er, dass sich die Bevölkerung mit der Einrichtung identifiziere. „Wir bauen nicht ein Seniorenzentrum, sondern unser Seniorenzentrum.“ Es sei mit einer Dividende von zwei bis drei Prozent zu rechnen.
Eigenkapital nötig
Vorgesehen ist, dass die Stadt Niedernhall zusammen mit der Bürgergenossenschaft und einem stillen Investor die Bürgerpflege Niedernhall GmbH & Co. KG gründen. Als Grundlage braucht es das nötige Eigenkapital. Mit welcher Summe sich die Stadt beteiligt, muss der Gemeinderat entscheiden, denn es geht um Haushaltsmittel. „Als Zugpferd und in der Vorbildrolle sollte hier jedoch schon mal gedanklich von ein bis zwei Millionen Euro ausgegangen werden“, heißt es dazu in der Sitzungsvorlage. Der stille Investor soll helfen, das Eigenkapital aufzufangen, das Stadt und Genossenschaft nicht zeichnen. Damit wird sichergestellt, dass genug Kapital vorhanden ist. Einen Interessenten habe man mit Sautter PE, einem Architektur- und Planungsbüro aus Ellhofen, gefunden. Ob Sautter als stiller Investor zum Zug kommt, sei aber noch nicht entschieden, erklärt Beck. Lieber wäre dem Bürgermeister – und auch den Räten, das wird in der Sitzung deutlich –, wenn ein örtlicher Unternehmer interessiert wäre. Sautter PE gegenüber spiele man mit offenen Karten, der potenzielle Investor sei einverstanden mit dem Vorgehen.
Das grobe Konzept steht
Ist alles in trockenen Tüchern, dann vermietet die Bürgerpflege das Seniorenzentrum an den ASB Heilbronn-Franken. Dessen Geschäftsführer Steffen Kübler stellt in der Sitzung das Pflegekonzept der geplanten Einrichtung vor.Es soll mehrere Betreuungsformen geben: Tagespflege, Betreutes Wohnen sowie sogenannte Hausgemeinschaften (siehe Kasten). Dafür sind mehrere Gebäude geplant. Zwei im Stil von Mehrfamilienhäusern sollen auf dem jetzigen Gelände des Recyclinghofs gebaut werden und Betreutes Wohnen ermöglichen. Im zweiten Obergeschoss ist demnach sogar eine Senioren-WG für drei bis vier Personen denkbar. Ein Wunsch, der in der Klausurtagung des Gemeinderats geäußert wurde.
Der ehemalige Niedernhaller Bahnhof soll ebenfalls ins Seniorenzentrum einbezogen werden. Hier könnte sich der ASB den Standort für die Tagespflege vorstellen. Von Stadträtin Bärbel Carle auf mögliche Brandschutzprobleme angesprochen, kann Architekt Martin Maslowski beruhigen: „Bei der Tagespflege ist das nicht problematisch.“ Direkt gegenüber, im größten geplanten Gebäude, würde das reguläre Seniorenheim einziehen mit 45 Betten. Das entspricht dem Bedarf, bemessen an der Einwohnerzahl, erläutert Achim Beck. Den Standort hält Beck für optimal: Er ist nah an der Altstadt und nur wenige Meter vom Gesundheitszentrum, das gerade in der ehemaligen Linde entsteht, entfernt.
Läuft alles nach Plan, könnte 2024 Baustart sein, 2026 die Fertigstellung. Nun müssen aber zunächst die Bürger vom Beteiligungsmodell überzeugt werden. Eine Infoveranstaltung dazu ist am Freitag, 18. November, um 19 Uhr in der Stadthalle terminiert. Bei der Gründung der Bürgergenossenschaft ist die Zeag Energie AG beratend am Start, die in diesem Bereich über viel Erfahrung verfügt. Sollte das Modell doch scheitern, hat Achim Beck schon einen Alternativplan: Dann müsse doch ein Investor gesucht werden, wie es sonst auch die Regel sei.
Stichwort: Betreuungsformen
In der sogenannten Hausgemeinschaft, wie der ASB die stationäre Pflege nennt, soll die Selbständigkeit trotz Pflegebedarf gefördert werden. Die Wohngruppen haben ein gemeinsames Wohnzimmer und eine Küche, in der gekocht werden kann. Im Bahnhofsgebäude nebenan könnte die Tagespflege einziehen. Bei dieser Betreuungsform geht es meist um kurze Aufenthalte pflegebedürftiger Personen, etwa zur Entlastung berufstätiger pflegender Angehöriger. Beim Betreuten Wohnen sind die Senioren hingegen weitgehend selbständig im eigenen Haushalt. Baulich ist alles möglichst altersgerecht und barrierefrei gestaltet, ambulante Pflegeleistungen oder soziale Dienstleistungen orientieren sich an den jeweiligen Bedürfnissen der Bewohner.