Josef Schuster zeigt klare Kante gegen Antisemitismus
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht beim Braunsbacher Wintergespräch über politische und gesellschaftliche Stimmungsmache. Außerdem erzählt er, wie er persönlich den jüdischen Glauben lebt.

Obwohl er seit Jahren eine Zunahme antisemitischer Vorfälle beobachtet, findet Josef Schuster, man könne als Jude in Deutschland sicher leben. Zwar schränkt der Präsident des Zentralrats der Juden ein, dass es in Berlin Stadtviertel gibt, in denen es nicht ganz optimal sei, sich als Jude zu erkennen zu geben. Aber dass er in Braunsbach einen Angriff zu befürchten hat, glauben auch die Polizisten nicht, die vor der Burgenlandhalle Stellung bezogen haben. Drinnen haben Personenschützer alles im Blick, der Saal ist mit 110 Besucher vollbesetzt.
Zuvor informiert sich Schuster mit Bürgermeister Frank Harsch und Elisabeth Quirbach vom Förderverein Rabbinatsmuseum über die Geschichte der Juden am Ort. Im Anschluss steht er beim auf Initiative des Rabbinatsmuseums veranstalteten dritten Braunsbacher Wintergespräch in dieser Saison Norbert Acker, Redakteur beim Haller Tagblatt, Rede und Antwort.
Ressentiments sind tief verwurzelt in der Gesellschaft
Schuster weist darauf hin, dass laut Umfragen rund 20 Prozent der deutschen Bevölkerung antijüdische Vorurteile hat. Diese Zahl sei seit vielen Jahren konstant. Verändert habe sich jedoch, dass sich heute mehr Menschen trauen würden zu sagen, was sie denken. Die Verantwortung dafür liegt für Schuster "ganz klar bei der AfD", wenn namhafte Vertreter der Partei das Holocaust-Denkmal als Schande bezeichnen. Dass auf Worte Taten folgen, hält er für schlimmer. Dass es trotzdem Juden in der AfD gibt, führt er darauf zurück, dass doch nicht alle Juden klug seien.
Schuster nimmt die Politik in die Pflicht
Von der Union erwartet er eine klare Brandmauer zur AfD. Angesichts einiger Vorfälle in den neuen Bundesländern macht Schuster sich jedoch Sorgen, ob die Brandmauer hält. Eine rote Linie ist für ihn eine Regierungsbeteiligung der AfD. Dies sieht er als echte Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland an. "Durch solche Parteien können Initiativen ergriffen werden, die jüdisches Leben in Deutschland unmöglich machen", betonte er. Die Aufgabe des Zentralrats sei es, dafür zu sorgen, dass es nicht dazu kommt, aber gegebenenfalls auch, zur Ausreise aufzufordern.
Klug ist, wer aus der Geschichte lernt
Keinerlei Verständnis hat er für Reichsbürger. Und wenn sich Impfgegner mit dem Judenstern als Opfer von Verfolgung stilisieren hält er das für eine Verharmlosung des Holocaust. Auf die Frage, warum Menschen immer wieder auf Verschwörungsmythen hereinfallen, geht er bis ins Mittelalter zurück. Man habe sich damals nicht erklären können, woher die Pest kommt. In solchen Fällen werde immer eine Minderheit als Sündenbock gesucht.
In den christlichen Kirchen seien von den Kanzeln jahrhundertelang antijüdische Thesen gepredigt worden, die sich von Generation zu Generation vererbt hätten, fügt Schuster hinzu. Und im Blick auf die antisemitischen Darstellungen bei der Kunstausstellung Documenta zieht er eine klare Grenzlinie. Kunstfreiheit endet für ihn da, wo die Menschenwürde angegriffen wird, erläutert er unter großem Applaus.
Der jüdische Glaube kennt viele Strömungen und persönliche Gewichtungen
Auf die Frage, ob er persönlich religiös sei, gibt es seiner Meinung nach unterschiedliche Antworten. Ein Rabbiner wäre wohl der Meinung, dass er nicht religiös sei, weil er im Alltag ohne Kopfbedeckung unterwegs sei. Andererseits nimmt er am Sabbat keine Termine wahr und isst nur koscheres Fleisch. Der Vorteil am Judentum sei, dass jeder für sich entscheidet, was er an Geboten hochhält, erläutert Schuster. Zwar gebe es liberale und orthodoxe Strömungen, dennoch seien die meisten der 105 deutschen Gemeinden mit fast 100.000 Mitgliedern eine Einheitsgemeinde unter dem Dach des Zentralrats.