Der schwierige Weg von der Schule in den Job
Experten aus Verwaltung, Schule und Wirtschaft diskutieren darüber, wie man mehr junge Menschen für eine Ausbildung begeistern kann. Es müssen sich alle Beteiligten deutlich mehr anstrengen.

Deutschland hat ein Ausbildungsproblem. 15,5 Prozent der Jugendlichen zwischen 20 und 34 Jahren, das sind 2,33 Millionen Menschen, haben keinen Berufsabschluss. Das ist nur eine der alarmierenden Zahlen, die Claudia Burkard von der Bertelsmann-Stiftung am Donnerstagabend mit nach Künzelsau gebracht hat. Doch sie trifft das Thema "Ausbildung ist Zukunft - warum nicht gleich?", über das Experten aus Schule, Wirtschaft und Verwaltung vor gut 100 Besuchern in der Sparkasse Hohenlohekreis diskutieren wollen.
Eingeladen hatten der Service Schule-Wirtschaft, die Arbeitsagentur Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim und die Innovationsregion Hohenlohe.
Junge Leute haben heute alle Chancen
Die Frage, warum sich so viele Jugendliche beim Übergang von der Schule ins Berufsleben so schwer tun, ist nicht leicht zu beantworten. "In der heutigen Situation kann man nichts falsch machen", ist Elisabeth Giesen, Leiterin der Arbeitsagentur Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim, überzeugt. Junge Leute hätten angesichts des steigenden Personalbedarfs der Unternehmen "immer eine Zukunft". Wichtig sei es aber, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. "Probieren geht über studieren", rät Giesen den Jugendlichen.
"Raus ins Leben und Ärmel hochkrempeln"
Stefanie Leenen wünscht sich, dass die jungen Leute "rausgehen in die Wirklichkeit, ins wahre Leben". Sich ausprobieren, auch mal scheitern, sei völlig ok, findet die Vorsitzende der Innovationsregion Hohenlohe. Sie vermisst "Mut und Tatkraft" bei vielen Schulabgängern. "Warum krempeln die nicht die Ärmel hoch", fragt sich Leenen. Eine Antwort hat Bertelsmann-Expertin Claudia Burkard parat. "Jugendliche sind oft überfordert von den vielen Möglichkeiten und Informationen", sagt sie. Und es fehlten Gesprächsmöglichkeiten mit Unternehmensvertretern. Burkard sieht in Praktika die beste Möglichkeit, um Firmen und junge Menschen zusammenzubringen.
Gymnasien haben bei der Berufsorientierung viel Luft nach oben
Einigkeit herrscht darüber, dass auch Schulen dieses Ziel konsequenter verfolgen sollten. Vor allem an Gymnasien gebe es bei der Berufsorientierung noch viel Luft nach oben, weiß Stefanie Leenen. Viele Schulen kämen der wichtigen Aufgabe nicht nach, die Schüler auf das spätere Leben vorzubereiten, kritisiert sie. "Da läuft etwas schief."
Wie es besser geht, erläutert Denis Voit, Korrektorin der Kopernikus-Realschule in Bad Mergentheim. "Einmal pro Woche kommen Betriebe zu uns in die Schule", berichtet Voit. Die Unternehmen stellen den Schülern ihre Arbeit mit praktischen Beispielen vor, was gut ankomme. Betriebe in die Schule zu holen, ist auch an der Pestalozzi-Schule in Pfedelbach üblich. Am Berufsorientierungstag können sich Firmen in Workshops 30 Minuten lang präsentieren und mit den Schülern ins Gespräch kommen, anschließend gibt es eine offene Messe für alle, wie Schulsozialarbeiterin Janina Maieron berichtet.
Nicht nur die Schulen sollten sich mehr um Berufsorientierung kümmern, sondern auch die Unternehmen. Handwerksbetriebe etwa fänden selten den Weg zum Berufsorientierungstag an der Pfedelbacher Pestalozzi-Schule, sagt Janina Maieron. "Die sagen, wir können uns den Samstag nicht leisten. Aber sie brauchen doch die jungen Leute", wundert sie sich.
Der Umgang mit den Azubis ist nicht immer gut
Offenbar hat sich auch noch nicht überall herumgesprochen, dass Lehrlinge ein rares und deshalb kostbares Gut sind. "Viele Unternehmen gehen nicht gut mit ihren Azubis um", weiß Emrullah Kalkan aus seinem Bekanntenkreis. Der 23-Jährige ist selbst ein Beispiel dafür, dass die Wege in den Beruf manchmal nicht gerade verlaufen. Kalkan hat in der 11. Klasse sehr zum Verdruss seiner Eltern das Gymnasium geschmissen, hat danach auf Baustellen gejobbt, ehe er beim Schraubenwerk Gaisbach eine Lehre als Industriemechaniker begonnen hat. Doch diese Ausbildung sagte dem jungen Mann nicht zu, weshalb er intern umsattelte und nun "sehr zufrieden" ist, wie er sagt.
Beliebte Praktikumswochen
Praktische Erfahrungen sind das A und O einer erfolgreichen Berufsorientierung, das weiß auch Harald Daumüller vom Service Schule-Wirtschaft genau. Ein beliebtes niederschwelliges Format seien die regelmäßigen Praktikumswochen unter dem Motto: 5 Tage, 5 Berufe, 5 Unternehmen. Hier können die Teilnehmer in zwei Unternehmen jeweils einen Tag hospitieren, um einen ersten Eindruck in die Tätigkeit im Betrieb zu bekommen.

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